Foto: Helambang Jaluardi

",Und mich hat Ariel einmal gefragt‘, schloß Fox, ,weshalb und zu welchem Ende eigentlich der Mensch die Musik erfunden habe – und gleich die Antwort beigefügt: Weil er nicht fliegen könne. Nicht, daß es nicht zaubern könne, sei für das Kind die große erste Enttäuschung seines Lebens – sondern daß es nicht, wie ein Vogel, die Arme ausbreiten und aus eigener Kraft in die Luft sich schwingen könne. Und zum Ersatz für diesen Mangel habe der Mensch die Musik erschaffen.‘"

Der deutsche Autor Wolfgang Schlüter beschriebt das fantastische Gefühl, das von allen Kunstformen nur die Musik auszulösen vermag, in seinem kommenden Roman Fox, oder Der kleine Klavierschwindel recht gut. Dazu bedarf es allerdings nicht immer nur pathetisch aufgeladener und das Sentiment über Melodie und Arrangement rührender Überwältigungsorgien aus dem Genre Zeitlupenflüge über Naturschönheiten aus Drohnen- oder Helikopterperspektive.

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Manchmal reicht auch einfach eines: Zufallsfunde im heute endgültig unübersichtlichen Dickicht aus Tradition, Gleichzeitigkeit, ins Nichts weisendem Futurismus und dem "anything goes" aus Übermut berstender Speicher banken legen jene speziellen Einzigartigkeiten bloß, die in einer Unmenge täglich erscheinender superguter Musiken das Hören noch immer zum Genuss machen. Mit rostigen Flügeln, aber immerhin.

Ohrenschmerzen und Idylle

Das aus dem indonesischen Java kommende Duo Senyawa ist so ein seltener Glücksfall. Instrumentalist Wukir Suryadi und Vokalakrobat Rully Shabara entwickeln dabei mit zunehmend größer werdendem Erfolg seit 2010 eine Form gleichzeitig frei flottierender und doch in geordneten Flugbahnen bleibender Sounds. Wie auch ihr aktuelles, auf dem US-Label Subliminal Frequencies erschienenes Album Sujud zeigt, ist diese Musik nicht wirklich festzumachen. Zum einen verbieten es die meisten, aus Bambusholz im Eigenbau gefertigten sowohl perkussiv eingesetzten als auch mit Stahlsaiten versehenen und elektrisch verstärkten und durch Verzerrer und Loopstationen geleiteten Instrumente Wukir Shabaras, dass hier irgendwelche exotischen Weltmusikidyllen erklingen.

Eher schon legen es Senyawa auf eine wüste, hoch hinaus und dann wieder tief fliegende Mischung aus Doom Metal, klöppelndem Neotribalismus, kreischender Avantgarde mit Ohrenschmerzen und einer aus dem Punk kommenden Haltung an.

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Dazu kommt dann noch der guttural den Höllenfürsten oder verzaubert das Tschirpen der Vögel im Dschungel beschwörende Ex tremgesang Rully Shabaras. Dieser sorgt dafür, dass Musikinteressierte speziell in ihrer Heimatstadt Yogyakarta verstört darauf reagieren. International ist das Duo allerdings gefragter denn je. Senyawa reisen zu Festivals mit dem dröhnenden Düsenjet an, nicht mit dem Papierflieger. (Christian Schachinger, 9.1.2019)