Konsequenz ist nicht Matteo Salvinis Stärke. Vor einem Jahr – in Twitter-Zeiten eine Ewigkeit – verbat sich Italiens Innenminister jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes, als sich Emmanuel Macron über Roms "Zynismus" in Sachen Flüchtlingsschiffe aufhielt. Jetzt stellt sich Salvini wie sein Koalitionspartner Luigi Di Maio hinter die "ehrenhaften Bürger" Frankreichs, die Gelbwesten tragen. Und er kritisiert den französischen Präsidenten, der "gegen sein Volk" regiere.

Wenn sich in Europa die Grenzen öffnen, sind auch politische Kommentare unter Nachbarn legitim. Und inhaltlich ist eine Parallele zwischen den "gilets jaunes" und den Lega- oder Cinque-Stelle-Wählern gar nicht so abwegig, auch wenn die soziologischen und parteipolitischen Unterschiede zwischen Italien und Frankreich beträchtlich sind.

Falsch ist jedoch die Behauptung, (nur) die Gelbwesten würden "das Volk" repräsentieren. Das lässt sich ebenso gut von Macrons Bewegung En Marche sagen: Sie ist demokratisch legitimiert und verfügt in der Nationalversammlung über die absolute Mehrheit. Die von Extremisten geschürte Gewalt bei Gelbwesten-Umzügen wird laut Umfragen von einer klaren Mehrheit der Franzosen abgelehnt. Auch sie sind "das Volk". Und vielleicht weniger widersprüchlich als die Populisten, die in Italien wie in Frankreich vorgaukeln, niedrige Steuern und zugleich höhere Sozialhilfen garantieren zu können. (Stefan Brändle, 8.1.2019)