Die drei Farbvarianten des Schwarzen Kohlröschens.
Foto: Universität Zürich / Roman Kellenberger

Wien – Viel deutlicher kann man den Farbhinweis nicht im Namen tragen als das Schwarze Kohlröschen, dessen lateinische Bezeichnung auch noch Nigritella nigra lautet. Dessen ungeachtet gibt es von der Blume, die zur Verwandtschaft der Orchideen zählt, nicht nur schwarze, sondern auch weiße und rote Varianten – und die rote gewinnt mancherorts allmählich die Überhand. Im Fachjournal "Nature Communications" berichten Forscher, wie der schleichende Farbwechsel, den die Spezies gerade zu vollziehen scheint, zustande kommt.

Mehr Bestäuber

Bei diesen Pflanzen, die man wegen ihres Duftes manchmal auch Alpenvanille nennt, waren laut Aufzeichnungen im Jahr 1997 fast alle (95 Prozent) schwarz, nur vereinzelt gab es rote oder weiße Ausreißer. Das hat sich allmählich geändert – insbesondere auf der Seiser Alm in Südtirol, wo mittlerweile fast ein Drittel der Kohlröschen rote Blüten trägt und jede zehnte weiße. Botaniker um Philipp Schlüter von der Universität Hohenheim vermuteten daher, dass vor allem die roten Varianten aus irgendeinem Grund den schwarzen überlegen sind.

Sie nahmen die Kohlröschen genauer unter die Lupe und fanden heraus, dass Bienen und Fliegen dort die wichtigsten Bestäuber der Orchideen sind. Die beiden Insektenarten zeigen sich jedoch von unterschiedlichen Farben angezogen. Während die dunklen Blüten vor allem von Bienen besucht werden und die weißen von Fliegen, sind die roten für beide attraktiv. "Als Folge trägt die rote Farbvariante die höchste Anzahl an Samen und vermehrt sich am stärksten", so Schlüter.

Triumph der Mischerbigkeit

Schönenberger und seine Mitarbeiter fanden heraus, dass Variationen in einem einzigen Gen (GrMYB1) für die Farbunterschiede verantwortlich sind. Es ist Vorlage für den Schalter (Transkriptionsfaktor), der das Farbpigment-Gen aktiviert. Bei den schwarzen Blüten sind beide Vorlagen intakt, die eine Pflanze vom väterlichen und mütterlichen Erbgut mitbekommen hat, und es werden große Mengen an Farbpigmenten produziert. Weiße Blüten haben zwei "Nieten" und stellen daher keine Pigmente her. Bei mischerbigen Pflanzen mit einem funktionierenden und einem defekten Genschalter gibt es eine rote Blüte, erklärt der Wiener Forscher.

Damit habe man erstmals die Theorie der Überdominanz bewiesen, die 1951 vom russisch-amerikanischen Evolutionsforscher Theodosius Dobzhansky präsentiert wurde, ergänzt Jürg Schönenberger vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. Diese Theorie besagt, dass mischerbige Pflanzen eine höhere Fitness haben und dadurch reinerbigen Exemplaren überlegen sind. (red, 9. 1. 2019)