Jane Connors ist die erste UN-Opferrechtsvertreterin. Sie will die Opfer, nicht nur die Täter in den Mittelpunkt rücken.

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Vor allem in der Zentralafrikanischen Republik waren zahlreiche Fälle von Missbrauch der Bevölkerung durch UN-Blauhelme bekannt geworden.

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Prostitution, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch: Die Vorwürfe gegen die UN-Friedenstruppen in der Zentralafrikanischen Republik wogen schwer. Rund die Hälfte aller Opfer soll minderjährig gewesen sein. Als die Vorwürfe im Jahr 2017 ans Licht kamen, stand die internationale Gemeinschaft unter Schock. Schließlich sollten die Blauhelme die Bevölkerung schützen und nicht noch mehr Leid bringen.

UN-Generalsekretär António Guterres musste handeln. Er versprach "einen neuen Ansatz", um mit den Vorwürfen in UN-Friedensmissionen umzugehen. Ein Teil davon war die Schaffung eines neuen Postens im UN-Generalsekretariat: Eine Vertreterin für die Rechte der Opfer wurde berufen. Die Australierin Jane Connors bekleidet seit September 2017 das Amt und spricht von einer "großen Aufgabe".

Opfer wurden vernachlässigt

Connors arbeitet bereits seit Jahrzehnten mit Gewaltopfern und war vor Amtsantritt Direktorin für internationale anwaltschaftliche Arbeit bei Amnesty International. Sie will "den Opfern von sexuellen Vergehen eine Stimme geben", erzählt sie dem STANDARD. Bis dato habe bei den Vereinten Nationen ein "Gefühl der Straffreiheit" bei manchen Tätern geherrscht, sagt sie. Überhaupt sei bei der Behandlung von Anschuldigungen viel mehr der mutmaßliche Täter und der Schutz der Organisation im Mittelpunkt gestanden, als dass "es auch eine Überlebende gibt, die verletzt wurde und nun ihr Leben wieder aufbauen muss". Das wolle sie ändern, sagt Connors.

Jane Connors in einem Video der Vereinten Nationen über das Verständnis ihrer Funktion.
MINUJUSTH

In ihrem ersten Jahr als UN-Opferrechtsvertreterin besuchte Connors deshalb so viele UN-Missionen wie möglich, um mit Opfern persönlich über ihre Situation zu sprechen. "Aufgrund meiner Erfahrung war ich auf die Geschichten vorbereitet", erzählt Connors: "Was mich aber beeindruckt hat, war die Widerstandsfähigkeit der Frauen, für ihre Rechte zu kämpfen." In Haiti hatten ihr Vergewaltigte erzählt, dass sie sich nicht leisten könnten, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Teils aufgrund von Geldmangel, teils wegen des gesellschaftlichen Stigmas.

"Wieder mehr Vertrauen in die Uno"

Ein UN-Projekt wurde gestartet, um diesen Frauen zu helfen, erzählt Connors: "Dadurch haben die Opfer auch wieder mehr Vertrauen in die Uno selbst gewonnen." Es sei nämlich auch ein beachtlicher Vertrauensbruch, wenn Menschen zu Tätern werden, die geschworen haben, den Menschen zu dienen und sie zu beschützen, so Connors.

Seit ihrem Amtsantritt, war es ihr zudem wichtig, jenen Frauen zu helfen, die nach einer Vergewaltigung durch einen UN-Mitarbeiter ein Kind zur Welt gebracht haben. Eine Arbeitsgruppe bearbeitet etwa alle Vaterschaftsanträge der betroffenen Frauen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Täter die Frauen finanziell unterstützen müssen und zumindest dieser Verantwortung nachkommen. Ansonsten kümmert sich Connors relativ wenig um die Rolle der Beschuldigten.

Die Vereinten Nationen können außerdem nur administrative Strafen gegen Täter aussprechen, eine strafrechtliche Verfolgung muss in den jeweiligen Staaten stattfinden. Dass die Uno aber sehr wohl eine Rolle bei der Auswahl der Fälle trifft, zeigte sich 2017. Damals war bekannt geworden, dass UN-Mitarbeiter Vorwürfe der sexuellen Gewalt durch Blauhelme in der Zentralafrikanischen Republik systematisch unter den Tisch fallen ließen. Fälle, die nicht offiziell bei den Vereinten Nationen aufschienen, wurden auch von den staatlichen Behörden nicht weiter verfolgt.

Ein neues Prüfsystem, das im Vorjahr eingeführt wurde, soll zumindest künftig verhindern, dass Täter im UN-System wieder einen Job erhalten. Die elektronische Datenbank soll allen Einrichtungen der Vereinten Nationen zur Verfügung stehen und könnte auch für weitere Organisationen geöffnet werden, sagte Jan Beagle im Mai des Vorjahres. Die Neuseeländerin ist UN-Untersekretärin für Management und leitet die Taskforce gegen sexuelle Belästigung.

Pro Quartal ein Bericht

Teil des "neuen Ansatzes" des UN-Generalsekretärs war auch die Schaffung von mehr Transparenz: So veröffentlichen die Vereinten Nationen pro Quartal einen Bericht über neu erhobene Anschuldigungen gegen UN-Mitarbeiter. Von August bis Oktober gab es 64 neue Vorwürfe: Sechs davon betrafen Blauhelmsoldaten, 33 Personal von UN-Einrichtungen und 25 Mitarbeiter von Organisationen, die für die Umsetzung von UN-Programmen zuständig sind.

Die 77 angeführten Opfer sind großteils weiblich. Nur zwei Männer und ein Bursche werden in den Anschuldigungen erwähnt. Das liegt laut Connors auch daran, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich Männer und Buben als Opfer von sexueller Gewalt und Missbrauch melden, aufgrund des sozialen Stigmas sehr gering ist. "Wir sehen leider nur die tatsächlich eingebrachten Anschuldigungen und nicht, wer sonst noch betroffen ist", sagt Connors.

Belästigung in der Uno

Dass es auch innerhalb der Vereinten Nationen Probleme gibt, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung Deloitte im Auftrag der Uno, an der sich mehr als 30.000 Menschen beteiligten. Demnach hat jeder Dritte sexuelle Belästigung bei der Arbeit erfahren. (Bianca Blei, 17.1.2019)