Ein Hubschrauber befreit mit dem von den Rotorblättern erzeugten "Downwash" Bäume entlang von Zugstrecken von der Schneelast.

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Überall, wo es stark geschneit hat, muss der Schnee von den Dächern geräumt werden – die tonnenschwere Last könnte sonst Dachstühle zum Einsturz bringen.

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Salzburg – "Keine Tourenverhältnisse. Alpines Gelände meiden. Mitunter Katastrophensituation." Der Salzburger Lawinenwarndienst hat Mittwochmittag für die Nordalpen die Warnstufe 5, Lawinengefahr "sehr groß", ausgegeben. Diese höchste Warnstufe auf der Lawinenskala gilt neben den Nordalpen in Salzburg auch in den oberösterreichischen und den steirischen Nordalpen sowie in den Ybbstaler Alpen in Niederösterreich. Für Vorarlberg, Tirol und die Hohen Tauern in Kärnten sowie den Alpennordrand in Bayern gilt weiterhin Warnstufe 4 – "groß".

Die enormen Schneemengen gepaart mit stürmischem Wind gefährden inzwischen auch wichtige Infrastruktureinrichtungen. Im Süden Oberösterreichs mussten rund 50 Straßen gesperrt werden – darunter auch die großen Passstraßen Pyhrnpass, Hengstpass und Koppenpass. Durch die gesperrten Straßen und die hohe Lawinengefahr sind österreichweit Orte von der Außenwelt abgeschnitten.

In Vorarlberg sind die Orte Schröcken, Warth, Lech, Zürs und Gargellen im Montafon nicht erreichbar, in Oberösterreich ist Gosau komplett eingeschneit, und in der Obersteiermark sind noch rund 2.250 Menschen eingeschlossen.

In St. Anton am Arlberg forderte ein Lawinenabgang am Mittwoch ein Todesopfer. Der 16-Jährige war gemeinsam mit seiner Familie unterwegs, als er kurz nach 16.30 Uhr von einer Lawine im freien Skiraum erfasst wurde. Die Gruppe war offenbar ohne Notfallausrüstung wie Schaufel oder Lawinensuchgerät unterwegs. Laut der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich bei dem Opfer um einen Deutsch-Australier, die Familie lebt in Australien.

Die Familie sei abseits der Pisten unterwegs gewesen und in sehr steilem Gelände nicht weitergekommen, sagte ein Polizeisprecher am Mittwochabend. Der 16-Jährige habe einen Notruf abgesetzt. Während die Retter unterwegs waren, um die Familie zu bergen, habe ihn eine Lawine erfasst. Der Bursche sei zwar nach 20 Minuten geborgen worden, habe jedoch nicht reanimiert werden können.

Jugendliche verschüttet

Wegen der Schneemassen gesperrt werden mussten viele Skigebiete wie das Hochkar in Niederösterreich, das am Mittwoch zum Katastrophengebiet erklärt wurde. Bereits am Montag wurden die rund 100 Gäste, Mitarbeiter und Bewohner evakuiert. Auch Skigebiete am Ötscher, in Vorarlberg und Oberösterreich stellten ihren Betrieb ein. Viele Ski- und Berghütten haben inzwischen geschlossen, in der Stadt Salzburg ist sogar der Gaisberg gesperrt worden.

Bei einem Lawinenabgang auf eine Skipiste am Wildkogel in Neukirchen am Großvenediger (Pinzgau) wurden am Mittwochvormittag drei Jugendliche zum Teil verschüttet. Sie wurden unverletzt von der Pistenrettung der Wildkogelbahn geborgen. Der Betrieb wurde ebenfalls eingestellt.

Überschallflüge verboten

Wie prekär die Situation ist, zeigt eine Anordnung des Kommandos Luftstreitkräfte. Laut ORF Salzburg müssen sämtliche Überschallflüge eingestellt werden, da der Überschallknall eine Lawine auslösen könnte.

Auch der Zugverkehr ist durch das Winterwetter eingeschränkt. Einige Strecken sind eingestellt, etwa die Verbindungen Innsbruck–Seefeld, Saalfelden–St. Johann in Tirol und Stainach-Irdning–Bischofshofen.

Überall, wo starke Scheefälle herrschen, haben sich große Schneemengen auf Dächern gebildet – sie müssen von den Bewohnern entfernt werden, weil sonst der Dachstuhl eingedrückt werden könnte. Wo die Bewohner dazu nicht in der Lage sind, helfen die Feuerwehren oder auch das Bundesheer. Ein 54-jähriger Hausmeister ist am Mittwoch bei derartigen Schneeräumarbeiten auf einem Flachdach eines Hotels in St. Christoph am Arlberg (Bezirk Landeck) abgestürzt. Laut Polizei fiel der Mann rund drei Meter tief und erlitt Verletzungen im Hüftbereich und an den Beinen. Er wurde ins Krankenhaus Zams eingeliefert.

Aufgrund der großen Menge stellt sich in einigen Teilen Österreichs die Frage, was mit dem vielen Schnee geschehen soll. Da der Platz allmählich knapp wird, wird jede Fläche zur Entsorgung genutzt.
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Stromleitungen gerissen

In Salzburg sind einige Bewohner bereits seit vier Tagen ohne Strom. Techniker der Salzburg AG konnten in betroffenen Gebieten wegen der gesperrten Straßen noch nicht alle Schäden reparieren. "Wenn keine Hubschrauberflüge möglich sind, ist es schwierig, die Störung zu finden", sagt Erich Neuhauser, Monteur der Salzburg-Netzgesellschaft. Die Techniker gehen Leitungen zu Fuß mit Schneeschuhen ab, um beschädigte Leitungen zu finden. Bei einem gebrochenen Strommast könne man derzeit aber kaum etwas machen.

Der Leiter des Salzburger Einsatzstabs, Markus Kurcz, spricht über die angespannte Lage: "Es ist schon sehr lange her, dass wir eine vergleichbare Situation hatten."
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Keine Probleme hat derzeit der Verbund. Man sei für derartige Schneelagen eingerichtet, sagt ein Sprecher der Gesellschaft. Die Anlagen im Hochgebirge – beispielsweise in Kaprun – würden mit Verbauten beziehungsweise mit automatisierten Sprengeinrichtungen geschützt.

Alle Räumfahrzeuge im Einsatz

Die Asfinag hat für ihre Infrastruktur eine eigene Naturgefahrenstrategie, die laufend geprüft und mit den Lawinenkommissionen und der ÖBB abgestimmt wird. "Auf Hinweiskarten werden Gefahrenbereiche markiert", erklärt Klaus Gspan von der Asfinag Tirol. Diese Bereiche seien meist bereits mit Schutzbauwerken oder Lawinenverbauungen gesichert. "Sollte der sichere Betrieb der Autobahn nicht gewährleistet sein, entscheiden die Lawinenwarnkommissionen, ob es eine Sperre braucht", betont Gspan.

Gespräch mit Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol in der "ZiB 24".
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Die Hotspots für die Asfinag seien derzeit die Pyhrn- und die Tauernautobahn sowie der Arlberg. Der Hauptfokus liege aber auf dem Winterdienst. "Alle Schneeräumfahrzeuge sind auf der Strecke", sagt Gspan.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Dass unverantwortliches Verhalten im Gelände auch rechtliche Folgen haben kann, zeigt ein Beispiel aus Salzburg. Dort ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen drei Snowboarder, die am Wochenende auf der Schmittenhöhe in Zell am See (Pinzgau) die Rettung eines vermissten Snowboarders gestört haben sollen, wegen fahrlässiger Gemeingefährdung. Das Trio musste übrigens dann selbst von der Bergrettung aus dem Tiefschnee geholt werden. (Thomas Neuhold, Stefanie Ruep, 10.1.2019)