Viele Selbstständige, Unternehmerinnen und Unternehmer, stellen mit Schrecken fest, dass sie zehntausende Euro an Rückzahlungen an die Sozialversicherung leisten müssen. Was für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer völlig undenkbar wäre, ist für Selbstständige an der Tagesordnung: der Kampf mit dem Sozialversicherungsdschungel. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für Selbstständige ohnehin schon schwierig, aber offenbar ist sie auch nicht gewollt oder zumindest politisch nicht erwünscht. Anders lässt sich das Vorgehen der SVA beim Kindergeld nicht mehr erklären.

Seit einer Novelle des Kinderbetreuungsgesetzes im Jahr 2012 müssen Selbstständige nämlich eine Abgrenzungsrechnung vorlegen, um nachzuweisen, dass die Zuverdienstgrenzen während des Bezugs des Kinderbetreuungsgelds eingehalten wurden. So weit nachvollziehbar. Die Auslegung und Umsetzung der Bestimmung ist jedoch ein gutes Beispiel, wie es in Österreich um die Haltung dem Unternehmertum gegenüber bestellt ist.

Komplexe Regelung

Im Gegensatz zur bisher gültigen Regelung, bei der die SVA die Betroffenen erinnerte und auf die Frist von zwei Jahren zur Vorlage der Abgrenzungsrechnung hinwies, unterbleibt seit neuestem dieser Hinweis, wie DER STANDARD berichtete, sogar auf Anweisung des Familienministeriums.

Steuerberater scheitern reihenweise an der Berechnung der Abgrenzung aufgrund der Komplexität der Regelung. Auf Nachfrage erhält man aus dem Büro der Familienministerin Juliane Bogner-Strauß eine Antwort, in der argumentiert wird, dass man "gegen den Bescheid Klage erheben" oder bei "Fehlverhalten eines Dritten" auch "Schadenersatz geltend machen" könne. In bestimmten Fällen gebe es die Möglichkeit der Zahlungserleichterungen. Von einer Unterstützung für die Abänderung der Bestimmung aber kein Wort.

Auch SVA-Präsident Harald Mahrer, in seiner (Haupt?-)Funktion auch Wirtschaftskammerpräsident und damit für die Anliegen der Unternehmerinnen und Unternehmer zuständig, hält sich vornehm zurück, wenn es um eine Lösung des Problems geht. Einzig der OGH hat eine klare Position und beurteilt die Rückforderungen als nicht rechtens.

Kleine Dinge, große Wirkung

Man kommt zum Schluss: All die Lippenbekenntnisse zum Unternehmertum sind heiße Luft in der politischen Arena. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind offenbar nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemeint – und selbst dort wird das nicht mit vollem Ernst verfolgt. Das Tragische daran ist, dass davon meist selbstständige Frauen betroffen sind, für die das Kinderbetreuungsgeld sicher keine Aufbesserung ihrer exorbitanten Einkünfte ist, sondern eine notwendige Sozialleistung, auf die sie zu Recht Anspruch haben.

In der Politik wird so oft der "große Wurf" verlangt, die "Reform" gesucht. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die große Wirkung erzielen können. (Michael Schuster, 9.1.2019)