Steuerreformen sind in Österreich ein altbewährtes Ritual: Eine Regierung lässt die Steuerbelastung über Jahre wachsen, um kurz vor einer Wahl die Abgaben großzügig wieder zu senken. Dazwischen wirkt die kalte Progression, die den Steuerzahler durch den Inflationsausgleich stetig in höhere Abgabenstufen schiebt; die Steuerquote bleibt langfristig gleich. Dieser Taschenspielertrick hat wahltaktisch nie viel gebracht, dennoch wird er stets von neuem vorgeführt.

Die türkis-blaue Regierung geht hier noch einen Schritt weiter: Sie verkündet eine Steuerreform, die nicht einmal auf dem Papier existiert. Die in Mauerbach verkündete Entlastung um 4,5 Milliarden Euro ist zum Großteil nur eine Absichtserklärung, die rechnerisch auf wackeligen Beinen steht.

Halbwegs konkret ist die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge um 700 Millionen Euro ab kommendem Jahr, wobei auch hier die Details fehlen. Bei 3,7 Millionen Beschäftigten sind das 190 Euro pro Person – ein kleiner, aber richtiger Schritt zur Entlastung von Kleinverdienern. Zum Glück hat der Finanzminister zugesagt, den Ausfall aus dem Budget zu decken und nicht – wie kurz erwogen – den Sozialversicherungen umzuhängen.

Schaumschlägerei

Alles andere im Programm ist Schaumschlägerei. Die Tarifsenkungen, die den Großteil der Entlastung ausmachen sollen, sind auf spätere Jahre verschoben und deren tatsächliche Umsetzung letztlich von der Konjunktur abhängig. Schwächt sich das Wachstum in der Eurozone und in Österreich deutlich ab, dann kann sich Finanzminister Hartwig Löger gar keine weitere Steuersenkung leisten – nicht weil er dem Fetisch Nulldefizit anhängt, sondern weil Österreich dann die EU-Budgetregeln brechen würde.

Von konkreten Gegenfinanzierungen, die nachhaltige Senkungen ermöglichen würden, ist nämlich kaum die Rede. Die unzähligen und meist sinnlosen Ausnahmen im Steuersystem werden nicht angetastet, denn dagegen gäbe es Widerstand. Und ob die nationale Digitalsteuer, die am Donnerstag verkündet und bereits im Budgetplan eingerechnet wurde, tatsächlich 200 Millionen Euro im Jahr bringen wird, ist höchst ungewiss.

Auch die angekündigte Ökologisierung des Steuersystems hält nicht, was großspurig versprochen wird. Eine Erhöhung der Mineralölsteuer wäre nach den Erfahrungen mit den Gelbwesten-Protesten in Frankreich schwer zu verkaufen. Aber Sprit ist in Österreich immer noch günstiger als in den Nachbarländern, was einer ernsthaften Klimastrategie im Wege steht. Eine Anhebung auf das deutsche Niveau hätte eine weitere Entlastung des Faktors Arbeit ermöglicht.

Umfragewerte verteidigen

Aber offenbar weiß die Koalition nicht, was sie wirtschaftspolitisch will – und kann angesichts des Streitverbots zwischen ÖVP und FPÖ auch nicht offen darüber diskutieren. Das einzige Ziel, über das Konsens herrscht, ist die Verteidigung der guten Umfragewerte. Zu diesem Zweck soll die Steuerentlastung der Öffentlichkeit mehrfach verkauft werden – und möglichst knapp vor den nächsten Wahlen. Das ist eine billige Show, aber keine ernsthafte Politik.

Das wichtigste Versprechen beider Parteien, nämlich die Abschaffung der leidigen kalten Progression, wurde auf die Zeit nach den nächsten Wahlen verschoben. Das hätte eine nachhaltige Strukturreform gebracht. Aber wenn eine Regierung verhindert, dass Lohnsteuern von Jahr zu Jahr unbemerkt steigen, dann kann sie nicht mehr auf Gutsherrenart Geschenke verteilen. (Eric Frey, 10.1.2019)