Neudau – Herbert Paierl, steirischer Ex-VP-Wirtschaftslandesrat, sah in der Borckenstein AG, den "lebenden Beweis dafür, dass die Old Economy trotz Globalisierung bis heute und sicher auch in Zukunft bestehen kann". Das war vor knapp elf Jahren, Paierl stieg damals als Investor ins Textilgeschäft ein. Sein Befund erwies sich als falsch.

Der steirische Garnhersteller schlitterte 2016 unter dem Druck der wachsenden Billigkonkurrenz aus Fernost in die Insolvenz. Nach einem Kredit der Hausbank Unicredit akzeptierten damals alle Gläubiger den Sanierungsplan. Nun aber steht der Traditionsbetrieb erneut vor dem Abgrund.

Borckenstein meldete gestern, Donnerstag, am Landesgericht Graz Konkurs an. Betroffen sind 150 Mitarbeiter und 190 Gläubiger. War das Unternehmen vor zwei Jahren mit rund sieben Millionen Euro überschuldet, sind es nunmehr 13 Millionen. Die Reißleine zogen die Krankenkasse und Energie Steiermark, da eine Finanzspritze der italienischen Eigentümer ausblieb.

Produktion steht still

Die Produktion in Neudau steht still, der Betriebsurlaub über Weihnachten ging somit nahtlos in die Schließung über. Ob die Arbeit zumindest kurzfristig wieder aufgenommen werden soll, will Masseverwalter Alexander Isola rasch entscheiden. Gläubigerschützer zeigen sich jedoch skeptisch.

Borckenstein blickt auf eine gut 230 Jahre lange bewegte Geschichte zurück. 1789 startete der Betrieb im nahen Burgau Österreichs erste mechanische Spinnmaschine. 1845 kam der Stammsitz nach Neudau.

In 16 Jahren 500 Jobs weniger

1995 zählte er dort noch 660 Beschäftigte. 2002 waren es trotz spezialisierter Produktion nur mehr 360 Mitarbeiter. 2013 kam Borckenstein unter Kontrolle des italienischen Textilgruppe Fil Man. Nach der ersten Pleite wenige Jahre später musste erneut fast die Hälfte der Belegschaft gehen.

In Summe gingen bei Borckenstein über die vergangenen 16 Jahre 500 Arbeitsplätze verloren, rechnet Wolfgang Dolesch, SP-Bürgermeister der 1600-Seelen-Gemeinde Neudau, vor. Sperre der Betrieb nun ganz zu, habe sein Ort im Vergleich zu 1995 nur noch ein Drittel der Jobs. Der Großteil der Betroffenen seien Frauen. Auch wenn die jüngste Krise nicht überraschend komme, sei es ein herber Schlag. "Es geht um Existenzen." Neudau sei mit seiner Industriestruktur inmitten einer Agrarregion untypisch für die Oststeiermark, sagt Dolesch. "1995 waren wir pro Kopf achtreichste Gemeinde der Steiermark, wir fielen auf den drittletzten Platz zurück." Eine Industrieruine will er verhindern. Hätten Zwirne und Garne keine Zukunft, gehöre anderes gewerbliches Leben hereingeholt. (vk, 10.1.2019)