Andreas Schwab spricht sich gegen Ausgrenzung im Sport aus.

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Matthias Schwab spielt ab 31. Jänner in Saudi-Arabien.

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Im April 2018 gastierte Wrestlingstar John Cena (li., gegen Triple H.) noch in Dschidda. Im November, nach dem Khashoggi-Mord, sagte er ab.

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STANDARD: Ihr Sohn Matthias, den Sie managen, spielt wie Bernd Wiesberger ab 31. Jänner das ab heuer zur European Tour zählende Golfturnier in Saudi-Arabien. Der Krieg im Jemen, der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi – keine Themen, die Sie über einen Verzicht nachdenken ließen?

Schwab: Mein ganzes Leben hat im Sport stattgefunden. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man den Sport nicht benutzen soll, um Politik zu machen. Man soll ihn lieber als Möglichkeit sehen, um etwas voranzubringen. Vielleicht hilft der Sport ja mit, in Saudi-Arabien den Einfluss des Westens zu erhöhen.

STANDARD: Am Mittwoch spielen Juventus Turin und der AC Milan in Dschidda um den italienischen Fußball-Supercup. Darüber hat sich Italiens Innenminister Salvini empört, weil Frauen im Stadion nicht neben Männern, sondern in einem eigenen Sektor sitzen. Ist es nicht Saudi-Arabien, das den Sport politisch missbraucht?

Schwab: Immerhin dürfen Frauen ins Stadion. Das geht nicht weit genug, aber es ist ein Anfang. Und Frauen dürfen in Saudi-Arabien seit einiger Zeit auch Auto fahren – das alles sind Schritte in die richtige Richtung.

STANDARD: Es ist offensichtlich, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman mit dem Sport sein vor allem durch den Mord an Khashoggi angekratztes Image polieren will. Sind Fotos wünschenswert, die MbS mit Cristiano Ronaldo oder mit dem Sieger eines Golfturniers zeigen?

Schwab: Sport und Politik lassen sich nicht immer trennen, obwohl es wünschenswert wäre. Der Sportler sollte durch Förderungen nicht in eine politische Abhängigkeit geraten oder sich politisch verwenden lassen.

STANDARD: Der US-Superstar John Cena hat nach dem Mord an Khashoggi für ein Wrestlingevent im November in Riad abgesagt. Hätten nicht auch Golfer mit einem Verzicht ein Zeichen gesetzt?

Schwab: Die European Tour hat sich dazu entschlossen, das Turnier in Saudi-Arabien durchzuführen, und daher sollen die Spieler dort auch antreten. Schauen wir uns doch an, wie sich die Weltpolitik verhalten hat! Fast alle Länder pflegen weiterhin ganz normal ihre Kontakte zu Saudi-Arabien, kaum jemand hat beispielsweise die Handelsbeziehungen eingeschränkt.

STANDARD: Man könnte argumentieren, dass die Courage Einzelner umso mehr gefragt wäre.

Schwab: Das sehe ich nicht so. Wenn überhaupt jemand, dann müssen sich die Fifa, Italiens Fußballverband und die European Tour überlegen, ob sie in ein solches Land gehen. Aber nicht die kleinen Sportler. Für den kleinen Sportler ist jedes Turnier eine Riesenchance. Der Golfer, der auf Saudi-Arabien verzichtet, verpasst vielleicht aus diesem Grund die Tourkarte für die nächste Saison. Die Zeiten, in denen man Länder im Sport ausgegrenzt hat, sollten vorbei sein.

STANDARD: Sie denken an Olympia 1980 in Moskau, wo westliche Länder fehlten, und 1984 in Los Angeles, wo der Ostblock boykottierte?

Schwab: Genau – und was haben die Boykotte gebracht? Die Spiele wurden abgewertet, ein Erfolg ist da mit dem Zusatz versehen, dass nicht alle dabei waren. Es gibt amerikanische Sportler, die 1980, und russische, die 1984 um Olympiasiege umgefallen sind. Für einige war das die einzige Chance, und die wurde ihnen genommen.

STANDARD: Dafür nimmt man nun in Kauf, dass sportliche Großevents immer seltener in Ländern stattfinden, die man entwickelte Demokratien nennen kann.

Schwab: Ich kann nur sagen, ich bin noch immer begeistert von den Winterspielen in Pyeongchang, wo Südkorea und Nordkorea zusammengerückt sind. Ich bin überzeugt davon, dass der Sport verschiedene Kulturen und Religionen zusammenbringen kann.

STANDARD: Eine Golfsiegerehrung mit dem saudischen Kronprinzen quasi als Übel, das man in Kauf nehmen muss, wenn man das große Ganze im Auge hat?

Schwab: Man muss das über einen längeren Zeitraum sehen. Vielleicht hilft der Sport mit, dass sich für die Menschen in Saudi-Arabien etwas zum Positiven verändert. Vielleicht haben Frauen dort in zwanzig Jahren dieselben Rechte wie Frauen in Europa heute. Wenn man nur boykottiert, bleibt alles einzementiert. Der Golfsport ist ja auch ein Beispiel dafür, wie lange alles dauert. In Augusta, wo das US-Masters gespielt wird, wurden 2012 die ersten weiblichen Mitglieder aufgenommen. St. Andrews in Schottland war noch später dran. Und jetzt sollen ausgerechnet die Golfer mit dem Finger auf Saudi-Arabien zeigen? (Fritz Neumann, 15.1.2019)