Sie sind für den schnellen Konsum produziert. Entsorgt in freier Natur, zerfallen sie erst nach mehr als 450 Jahren in kleinste Plastikteile, die sich in der Umwelt anreichern. Ihr großes Volumen lässt Müllberge rasant wachsen. Ein großer Teil unter ihnen wird trotz ambitionierten Recyclings mit dem Restmüll verbrannt. PET-Flaschen werden in Österreich zusehends zu einem Reizthema.

Plastiksackerlverbot nicht genug

Vielen Umweltexperten geht das geplante Verbot des Plastiksackerls im Einzelhandel nicht weit genug, zumal diese allein zwei Prozent zum Plastikmüll beitragen. Sie sehen den weit stärkeren Hebel im Kampf gegen die Flut an Kunststoff bei den Getränkeverpackungen. Bruno Rossmann, Klubobmann der Liste "Jetzt" (früher Pilz), brachte dazu im Nationalrat nun einen Entschließungsantrag ein. Dieser fordert die Bundesregierung dazu auf, eine Machbarkeitsstudie rund um die Einführung eines flächendeckenden, verpflichtenden Pfandsystems in Auftrag zu geben. Sämtliche Plastikflaschen und Getränkedosen gehörten erfasst. Parallel dazu müsse die Studie bis Herbst einen Rechtsrahmen für Mehrwegsysteme untersuchen. Debattiert werden soll der Antrag im April im nächsten Umweltausschuss.

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Kampf den PET-Flaschen: Eine Machbarkeitsstudie soll den Weg für ein flächendeckendes Pfandsystem ebnen.
Foto: Getty/Montage Beigelbeck

Rossmann ortet dazu aus der Politik recht positive Signale. 25 Cent sind in Deutschland retournierte PET-Flaschen dem Handel wert, mit der Folge, dass 97,9 Prozent derselben den Weg zurück in die Industrie finden. In Österreich werden derzeit 73 Prozent der ausgegebenen Flaschen gesammelt. Bares Geld gibt es für sie hier für Konsumenten, anders als in acht EU-Ländern, bisher keines.

Ein neues Pfand darauf ist vor allem für Handel und Wirtschaftskammer ein rotes Tuch. Dieses würde allein den Lebensmittelketten 200 bis 400 Millionen Euro kosten, ist Rainer Will, Chef des Handelsverbands, überzeugt. Der bürokratische Aufwand sei hoch, der Nutzen für die Umwelt aus seiner Sicht gering. "Warum sollen wir ein zweites System einführen, wenn uns Deutschland um unser bestehendes beneidet?" Die Österreicher seien schon jetzt perfekte Sammler.

Werner Knausz beziffert die einmaligen Investitionen des Handels in Rücknahmeautomaten mit 100 Millionen Euro, gefolgt von jährlichen Betriebskosten von zehn bis zwölf Millionen. Ansonsten teilt der Vorstand der Altstoff Recycling Austria (ARA) den Befund der Händler. "Wären wir in Rumänien mit einer Sammelquote von praktisch null würde ich sofort zum Pfand raten." Österreich aber erkaufe sich die 7.400 Tonnen an Kunststoffflaschen, die aktuell im Restmüll landen und die sich durchs Pfand zusätzlich sammeln ließen, zu teuer.

Viele Einwegflaschen liegen auf einem Haufen. Ein neues Pfand ist vor allem für Handel und Wirtschaftskammer ein rotes Tuch.
Foto: APA/Sebastian Kahnert

Fest steht: Österreich muss bis 2025 exakt 77 Prozent der PET-Flaschen sammeln, 90 Prozent sind es bis 2029. So will es die Einweg-Plastikrichtlinie der EU. Über alle Kunststoffverpackungen hinweg gilt bis 2025 eine Recyclingquote von 50 Prozent. Bisher schafft Österreich 34 Prozent. Für Knausz führt an neuen Restmüll-Sortieranlagen in Wien und in den Ländern, die Kunststoff-Verpackungen aus dem Abfall filtern, kein Weg vorbei. Mit noch größerem Sammelengagement der Konsumenten allein sei die Quote nicht zu erreichen. Wobei er hier durchaus noch Luft nach oben sieht: bei sogenannten Hohlkörpern für Waschmittel über Kosmetikartikel bis Yoghurt etwa oder bei Folien im Gewerbe und der Industrie. Bei Letzteren liege der Sammelanteil bisher nur bei 50 Prozent. Selten den Weg in die gelben Tonnen finden auch Halbliter-Flaschen für Getränke.

"Österreich soll die Vorgabe von 90 Prozent ohne Pfand schaffen? Das geht nie und nimmer", ist sich jedoch Christian Pladerer, Vorstand des Ökologieinstituts, sicher. Für ihn steht außer Zweifel, dass auch hierzulande ein Pfand auf alle Einwegverpackungen – Glas, Dosen wie PET – kommen wird. Nur so lasse sich die stoffliche Verwertung erhöhen. "Natürlich ist es kostenintensiv, in Summe aber rechnet es sich."

Dass derzeit drei von vier PET-Flaschen gesammelt werden, sage im übrigen wenig über das weitere Recycling aus. Pladerer schätzt die Verwertungsquote auf lediglich 60 Prozent, der Rest werde thermisch verwertet, also verbrannt. Knausz beziffert die Verluste mit 25 Prozent. "Bei Kunststoff fehlen einfach noch die Erfahrungswerte."

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Wiederverwertung ist keine Selbstverständlichkeit. Eine Anlage in Deutschland.
Foto: Bernd Wüstneck/dpa

Jede gesammelte Tonne an PET-Flaschen ist Geld wert. Die Frage sei, wer verdiene daran, und wem werde was umgehängt, gibt Lisa Kernegger, Ökologin der Umweltschutzorganisation Global 2000, zu bedenken. Sie erinnert an Sammelsysteme im öffentlichen Raum, wie es sie etwa in Schweden gibt, oder an Peking, wo sich U-Bahn-Fahrten mit PET-Flaschen bezahlen lassen. "Es gibt mannigfaltige Möglichkeiten, wir müssen nichts Neues erfinden." Auch sie glaubt nicht, dass sich die von der EU eingeforderte höhere Quote von 90 Prozent ohne Pfand realisieren lässt. "Die Bevölkerung ist dafür offener als die Politik."

Wie sieht der Blick aus Deutschland nach Österreich aus? Benedikt Kauertz, Verpackungsexperte am Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg, lobt Österreichs hohe Erfassungsquote von PET-Flaschen, die Vorsortierung laufe vor allem im ländlichen Raum gut. Er rät Österreich dazu, Schwachpunkte des bestehenden Sammelsystems zu evaluieren, ehe mit viel bürokratischem Aufwand ein Pfand eingeführt werde. Deutschland habe mit knapp 98 Prozent Traumwerte bei der Erfassung von PET-Flaschen, habe es aber verabsäumt, alle Akteure in der Wertschöpfungskette frühzeitig an einen Tisch zu bekommen. "Es ziehen nicht alle an einem Strang."

Geschenk an den Handel

Um das mehr oder weniger sauber gesammelte und sortierte Plastik herrscht ein Wettlauf der Recycler. Geschätzt 180 Millionen Euro verbleiben Studien zufolge durch nicht zurückgegebene Einwegflaschen beim Handel. Dieses Geld – der sogenannte lukrative Pfandschlupf – wäre bei Umweltprojekten besser aufgehoben als im Handel, sagt Kauertz.

Weniger als 30 Prozent der über das Pfand retournierten Flaschen dienten neuen Flaschen. Der Rest werde zu Folien bis hin zu Fasern für die Textilindustrie verarbeitet und sei damit für die Kreislaufwirtschaft verloren.

Stark reduziert hat das deutsche Pfand auf Einwegflaschen den Anteil an Mehrwegverpackung. Dieser ist mit nunmehr 42 Prozent aber nach wie vor gut doppelt so hoch wie jener in Österreich. Um hier Schaden abzuwenden, drängen Experten auf eine verpflichtende Mehrwegquote. (Verena Kainrath, 16.1.2019)