Absolut kein Highlight: die zweifelhaften Stromsparmaßnahmen vieler Android-Hersteller.

Grafik: Google

Es klingt wie eine schlechte Ausrede für Langschläfer, und doch steckt darin mehr als nur ein Körnchen Wahrheit: Wenn am Morgen der Wecker nicht klingelt, könnte tatsächlich das Smartphone schuld sein – oder genauer gesagt dessen Hersteller. Im Bestreben, die Akkulaufzeit der eigenen Geräte zu verbessern – oder, genauer: mit diesem Umstand positive Schlagzeilen zu machen –, greifen viele Hardwareanbieter mittlerweile zu reichlich zweifelhaften Methoden. Als Optimierung verkauft, werden dabei in Wirklichkeit zentrale Android-Konzepte unterlaufen, was zu schwerwiegenden Problemen führen kann.

Nokia

Ein Paradebeispiel liefert hier ausgerechnet HMD Global, das für das schlanke Android auf seinen Nokia-Smartphones sonst eigentlich viel gelobt wird. Doch auf dieser Basis liefert man mittlerweile ein Paket der Firma Evenwell mit, das mit Brachialgewalt den Stromverbrauch der Geräte minimieren will, wie "Don't kill my app" warnt. Jede App, jeder Hintergrundprozess, der nicht direkt zum Betriebssystem gehört, wird kurzerhand nach 20 Minuten beendet.

Das Nokia 7 Plus ist eines der betroffenen Geräte.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Was man damit macht, ist de facto, das komplette Multitasking-Konzept von Android auszuhebeln. Das Ergebnis: Alle im Hintergrund laufenden Apps, die nicht von Nokia explizit ausgenommen wurden, funktionieren nicht mehr korrekt. Das kann etwa ein Schlaftracker sein – oder eben auch der Wecker, der aus dem Play Store heruntergeladen wurde.

Noch unerfreulicher wird dieser Umstand dadurch, dass sich dieses Verhalten nicht so einfach deaktivieren lässt. Zwar kann über die Systemeinstellungen die als "Battery Protection" gelistete App beendet werden, dies hält aber nur bis zum nächsten Neustart vor. Wer das Paket dauerhaft deaktivieren will, muss schon zur Kommandozeile und Entwicklertools wie adb greifen – was ein gewisses technisches Grundwissen voraussetzt.

Kein Einzelfall

Doch auch wenn man bei "Don't kill my app" Nokia derzeit als schlimmstes Beispiel für solche Methoden ansieht, so ist es doch bei weitem nicht das einzige. So werden auch Smartphones von OnePlus, Xiaomi oder Huawei mit ähnlichen "Batterieoptimierungen" ausgeliefert, die ebenso regelmäßig zu Problemen führen. Zumindest gibt es hier bei einigen Herstellern aber Möglichkeiten, Ausnahmen für einzelne Apps zu definieren – oder den Dienst ganz abzuschalten. So man sich nicht schon vorher von den oftmals irreführenden Angaben der Hersteller abschrecken lässt.

Es gibt bereits eine Lösung

Am besten schneidet in dem Negativranking das Original-Android von Google selbst ab. Das ist auch keine sonderliche Überraschung: Gerade seit Android 6 hat Google zahlreiche Änderungen an dem Betriebssystem vorgenommen, deren Ziel es ist, die Akkulaufzeit von Smartphones zu verbessern. Dabei wurden zwar ebenfalls Beschränkungen für Hintergrunddienste definiert, all dies wurde aber lange vorab kommuniziert und mit alternativen Methoden kombiniert. Dadurch hatten App-Entwickler lange genug Zeit ihre Apps anzupassen, ohne dass es zu Problemen kommt.

Kaum ein Nutzen, viel Schaden

Das bedeutet übrigens auch, dass der reale Nutzen solcher "Optimierungen" zunehmend gegen null tendiert – zumindest bei der breiten Masse an Nutzern. Immerhin unterliegen Apps bei aktuellen Android-Generationen ohnehin schon von Haus aus starken Beschränkungen. Im Gegenzug verursachen diese Tricksereien aber eben sehr reale Probleme.

Wer auf seinem Smartphone Strom sparen will, ist insofern mit ein paar einfachen Ratschlägen besser beraten. Dazu gehört vor allem, die Zahl der auf dem Gerät installierten Apps auf das wirklich nötige Maß zu reduzieren und überhaupt auf bekannte Stromfresser-Apps zu verzichten oder sich nach Alternativen umzusehen. Auf solche "App-Killer"-Funktionen sollte man hingegen besser verzichten – so man auch ein wirklich uneingeschränkt funktionstüchtiges Betriebssystem haben will. (Andreas Proschofsky, 17.1.2019)