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Ein Leben mit Behinderung führt oft zu höheren Aufwendungen. Darauf sollte bei der Sozialhilfe Rücksicht genommen werden, fordern Experten.

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Katharina M. hat es geschafft, sich ein einigermaßen selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Die 29-jährige Oberösterreicherin ist zwar behindert, hat aber eine 25-Stunden-Stelle in einer geschützten Werkstätte gefunden, durch die sie rund 350 Euro im Monat verdient. Damit kann sie eine kleine Wohnung finanzieren. Im selben Haus befindet sich auch eine Behinderten-WG, deren Betreuer auch Katharina behilflich sind. Zusätzlich zu ihrem kleinen Einkommen erhält sie noch die erhöhte Familienbeihilfe für Behinderte.

Damit liegt sie aber noch immer deutlich unter den in der bisherigen Mindestsicherung definierten Mindestsätzen. Anspruch auf eine Teilleistung aus der Sozialhilfe hat die Oberösterreicherin aber nicht. Bei nicht selbsterhaltungsfähigen Menschen geht das Land nämlich davon aus, dass die Eltern unterhaltspflichtig sind. Deshalb müssen diese Katharina immer dann, wenn das Geld knapp ist, ein paar Hundert Euro überweisen. Vater Josef M. hält dieses System für ungerecht und für eine Diskriminierung. Wäre seine Tochter nicht behindert, bekäme sie eine Aufstockerleistung aus der Mindestsicherung.

Restriktive Oberösterreicher

Bisher war Oberösterreich eines von wenigen Ländern, die in solchen Fällen eher restriktiv vorgegangen sind. Mit der Reform der Mindestsicherung, die gerade final verhandelt wird, könnte die Unterhaltspflicht auch in anderen Bundesländern zur Anwendung kommen. Im Entwurf des Sozialministeriums für ein Grundsatzgesetz steht zumindest, dass Ansprüche von Dritten geltend gemacht werden müssen, sofern das "nicht unzumutbar" ist.

Wie das genau zu verstehen ist, werden die Länder, die eigentlich für die Sozialhilfe zuständig sind, in ihren Ausführungsgesetzen definieren müssen. Behinderte und deren Eltern werden also noch etwas warten müssen, bis endgültig Klarheit herrscht.

In der Begutachtung des Entwurfs, die letzte Woche endete, haben Behindertenorganisationen aber nicht nur auf diese Problematik aufmerksam gemacht.

Der im Sozialministerium angesiedelte Behindertenanwalt Hansjörg Hofer fordert von der zuständigen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), dass Menschen mit Behinderung jedenfalls als eigene Bedarfsgemeinschaft gewertet werden. Der Hintergrund dafür: Leben erwachsene Behinderte in einer Wohngemeinschaft oder bei den Eltern, bekommen sie nicht die vollen Sozialhilfesätze zugesprochen.

In diese Kerbe schlägt auch der sogenannte "Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung". Dieses unabhängige Gremium begrüßt zwar, dass die Länder die Möglichkeit bekommen, Behinderten einen Bonus von 18 Prozent des eigentlichen Anspruchs zu gewähren, befürchtet aber, dass dieser positive Effekt durch andere Maßnahmen konterkariert wird.

Gestaffelte Kinderbeträge

Da eben nicht auf die verschiedenen Wohn- und Lebensformen von Behinderten Rücksicht genommen werde und die Kinderzuschläge stark degressiv gestaltet seien (ab dem dritten Kind gibt es nur noch fünf Prozent), werde das "wahrscheinlich dazu führen, dass die meisten Menschen mit Behinderungen im künftigen Modell weniger Sozialhilfe bekommen werden als bisher".

Beklagt wird auch, dass subsidiär schutzberechtigte Menschen mit Behinderungen keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben sollen und es durch das Prinzip Sachleistung vor Geldleistung für Behinderte schwieriger werde, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Hartinger-Klein hat letzte Woche angekündigt, nun alle Einwände zu sichten. Ein Beschluss ist im zweiten Quartal 2019 geplant. Abgesehen von den erwähnten Kritikpunkten gab es in der Begutachtung zahlreiche Hinweise auf mögliche Verfassungswidrigkeiten – vor allem hinsichtlich der niedrigen Sätze ab dem dritten Kind und der Schlechterstellung von Menschen mit Sprachdefiziten. (Günther Oswald, 17.1.2019)