Am Ende eines weiteren turbulenten Tages in London hat die im Amt bestätigte Premierministerin Theresa May spätabends der Opposition Brexit-Gespräche angeboten. Zuvor traf sich die konservative Regierungschefin am Mittwoch mit den Vorsitzenden der Unterhausfraktionen von Liberaldemokraten, schottischen und walisischen Nationalisten, Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn wollte der Einladung nicht folgen. "Unsere Tür bleibt offen", sagte May vor ihrem Amtssitz in der Downing Street. Es sei im nationalen Interesse, einen Konsens zu finden.

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Am Mittwochabend trat Theresa May vor die Presse, um anzukündigen, mit der Opposition in Gespräche zu treten.
Foto: REUTERS/Clodagh Kilcoyne

Das Unterhaus hatte zuvor den Misstrauensantrag der Opposition mit 325 Stimmen abgelehnt. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Resultats bot die Premierministerin den Oppositionsparteien Gespräche über den EU-Austritt an. Die Regierungschefin müsse aber "zunächst ein für alle Mal den No-Deal-Brexit ausschließen", erwiderte Oppositionsführer Corbyn.

Innerparteilicher Fokus

Seit dem Verlust der konservativen Mehrheit bei der Wahl im Juni 2017 hatte die Opposition immer wieder parteiübergreifende Gespräche über das wichtigste innen- und außenpolitische Thema des Landes angeregt. Hingegen versicherte sich May der Unterstützung der rechtskonservativen Unionistenpartei DUP aus Nordirland und widmete sich dem innerparteilichen Ausgleich mit den Brexit-Ultras ihrer Tory-Partei.

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Bis zuletzt verweigerte May Gespräche mit der Opposition, obwohl sich sogar mehrere Kabinettsmitglieder dafür aussprachen. Erst die vernichtende Absage des Unterhauses an das Verhandlungspaket aus EU-Austrittsvertrag und politischer Zukunftserklärung mit 432 zu 202 Stimmen am Dienstagabend scheint einen Stimmungswandel verursacht zu haben. May reagiert damit auch auf die immer drängender werdenden Anregungen wichtiger Kabinettsmitglieder. Sie ist unter Zeitdruck: Bis Montag muss sie ihre überarbeiteten Vorschläge zum Austritt aus der EU vorlegen. Das Parlament soll am 29. Jänner darüber abstimmen.

Chaosbrexit nicht ausgeschlossen

Dass May den Austritt ohne Vereinbarung ("No Deal") immer noch nicht ausdrücklich ausschließt, dürfte den Gesprächen mit anderen Parteien jedoch enge Grenzen setzen. Der Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei (SNP), Ian Blackford, dankte ihr noch am Mittwoch für das Gespräch, machte sich aber die Forderung nach einem Ausschluss von No Deal zu Eigen.

Labour-Chef Corbyn steht nach dem Scheitern des Misstrauensvotums unter Druck, dem Wunsch seiner Basis folgend ein zweites EU-Referendum zu fordern, das der altlinke Skeptiker europäischer Zusammenarbeit persönlich ablehnt. 71 Abgeordnete seiner 256-köpfigen Fraktion machten sich die Forderung am Mittwoch zu Eigen, auch die anderen Oppositionsparteien sowie eine Reihe prominenter Tories drängen Labour dazu.

Grafik: Sebastian Kienzl, Stefan Binder

Frankreich bereitet sich vor

In in anderen Ländern ist man offenbar wenig zuversichtlich, dass es noch zu einem geordneten Ausstieg der Briten kommt: Frankreich hat mit der Umsetzung eines Notfallplans zur Vorbereitung auf einen ungeordneten Brexit begonnen. "Das Szenario eines No-Deal-Brexits ist sicherlich weniger und weniger unwahrscheinlich", sagte Ministerpräsident Edouard Philippe am Donnerstag. Daher habe er sich zur Umsetzung des entsprechenden Plans entschieden. Unter anderem sollen 50 Millionen Euro investiert werden, um die Folgen für Häfen und Flughäfen abzufedern. (Sebastian Borger, 17.1.2019)