Kunst als kreativer, beflügelnder Impuls beim Programmieren lernen: Im Scratch-Lab werden aus bloßen UserInnen aktive junge GestalterInnen.

Foto: Niko Havranek

Eine Spirale dreht sich auf einem Computerbildschirm: Auf dem dreigeteilten Desktop reihen sich links Farbblöcke, mit deren Hilfe man dem Computer Anweisungen zum Aussehen von Figuren, Tönen oder Geschwindigkeit gibt. In der Mitte kann man die farbigen Blöcke zu einem Programmiercode zusammenbauen und rechts davon ist die "Bühne": jener Platz also, wo man das geschriebene Projekt abspielen kann. Ein Mädchen, das das Scratch Lab besucht, hat eine Spirale entwickelt, die immer dicker wird, je lauter sie ihre Stimme erhebt. "Das zu Programmieren ist gar nicht einfach", erklärt sie, wohl wissend, dass man als Userin die Komplexität dahinter oft gar nicht sieht.

Beim "Scratchen", das vom Mumok im Rahmen seines Vermittlungsprogramms für Kinder und Jugendliche angeboten wird, geht es genau darum: Einen Blick hinter benutzerfreundliche Computeroberflächen zu werfen und Grundlagen des Programmierens zu erlernen, also aus bloßen Usern aktive GestalterInnen zu machen.

Ausgangspunkt der Kurse ist eine Einführung in "Scratch": eine 2007 erstmals veröffentlichte visuelle Programmiersprache, die das Massachusetts Institute für Technologie (MIT) für Kinder entwickelt hat. Da die Fähigkeit zum Programmieren in unserer Gesellschaft immer wichtiger wird, handelt es sich um eine frei zugängliche Software, sogenannte Freeware, in der man Bild, Musik und Text unkompliziert miteinander verbinden und remixen kann.

Scratch leitet sich also aus guten Gründen von der DJ-Technik des Scratchens ab. Es gilt, die schier grenzenlosen Gestaltungsmöglichkeiten, die Rechner bieten, auszuschöpfen: Die User sollen sich von bestehendem Medienmaterial (interaktiven Objekten, Grafiken etc.) inspirieren lassen, es neu kombinieren, verändern und so ergänzen, dass etwas Eigenes entsteht.

Motivation Computerspiele

"Für Kinder ist zunächst vor allem die Aussicht, eigene Computerspiele zu bauen, eine wichtige Motivation", wissen die beiden Leiter des digitalen Ateliers, der Mumok-Kunstvermittler Patrick Puls und der Scratch-Experte und Musiker (unter anderem Kontrabasslehrer) Benedikt Hochwartner.

Für sie geht das Potenzial erlernbarer Fähigkeiten weit darüber hinaus: In Anlehnung an das Motto "imagine, program, share" wollen sie den Umgang mit Computern auf mehreren Ebenen vermitteln: neben den Grundlagen des Programmierens gehört dazu etwa auch das Wissen um den Unterschied zwischen Pixel- und Vektorgrafiken, das Aufbrechen der Konsumentenrolle oder das Erlernen von Umgangsformen auf Social-Media-Kanälen.

Die Webseite scratch.mit.edu ist zwar nicht vorrangig dafür gemacht. Das Kommentieren anderer Projekte und der Austausch mit der weltweiten Scratch-Community sind aber ebenfalls Teil des Programms, an das man Schritt für Schritt herangeführt wird.

Jeder Kurs besteht aus einer Einführung in die Befehle und Werkzeuge des Scratchens, die man anschließend auch gleich an einem Laptop erproben kann. Learning-by-Doing wird groß geschrieben, aber auch Lernkonzepte wie Peer-to-Peer oder Trial-and-Error: gemeinsames Lernen also, bei dem Wissen durch die Vermittlung Gleichaltriger zugänglicher wird.

Teil des pädagogischen Ansatzes ist auch, dass "richtig" und "falsch" keine Kategorien mehr sind. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass gerade Fehlschläge das Verständnis für das Medium vertiefen, in dem man aus "Bugs", also vermeintlichen Fehlern, immer wieder spannende Features entwickelt hat.

Bleibt nur noch die Frage, wieso sich das Ganze in einem Museum abspielt: Nicht jede Ausstellung sei, so wird erklärt, geeignet für den Anschauungsunterricht. Die Ausstellung Malerei mit Kalkül mit ihren abstrakt-geometrischen Malereien, die aktuell im Mumok zu sehen ist, sei jedoch wie gemacht dafür.

Kalkuliert statt zufällig

Mit einem Kissen unterm Arm marschiert die Gruppe vom "digitalen Atelier" hinauf in die Ausstellungshallen. Dort nimmt man gemeinsam vor einem Gemälde von Zdeněk Sýkora von 1981 Platz: Auf der Leinwand sieht man Linien, die unterschiedliche Krümmungen, Farben und Breiten haben. Es wirkt wie eine zufällige Kombination, der Künstler hat sie mit dem Computer jedoch genau kalkuliert.

Man überlegt gemeinsam, wie der Computer anhand von zwei Punkten eine Kurve zeichnet. Oder mit welchen Mitteln der Künstler Kurt Ingerl sein komplexes Schwarzweiß-Labyrinth entwarf. Wie viele andere Künstler der Schau hat auch er dafür einen Rechner benutzt. Und der Kunstvermittler weiß noch eine Geschichte, die vielleicht das eine oder andere Mädchen mehr zum Scratchen motivieren kann: Es war eine Programmiererin, die 1975 den Code für das Labyrinth des Malers schrieb. (Christa Benzer, 18.1.2019)