"Wenn Sie wollen, können Sie damit auch nur Radio hören", schreibt Volkswagen auf seiner Website unter das Bild der neuesten Infotainment-Generation im Polo. Darauf gestoßen bin ich auf der Suche nach einem Auto, das in seiner Standardkonfiguration noch eine "Radiovorbereitung" aufweist. Nein, beim Polo wurde ich da nicht fündig. Der hat schon als Nackerter ein 5,6 Zoll großes farbiges Glasdisplay verbaut, das Radio heißt und MP3- und WMA-Dateien abspielen kann.

Nicht auf "weiter" klicken! Das ist nur ein Screenshot, der meine Aussage untermauern soll.
Screenshot: volkswagen.at

Für die jungen Menschen ist die Konnektivität heute wichtiger als eine Fahrwerksabstimmung. Auch als der Luftdruck im Reifen oder wo die Scheinwerfer hinleuchten – wenn sie leuchten. Faustregel: je fetter der Bildschirm, desto besser das Auto. Den Seitenhieb auf Tesla, der so tief daherkäme, dass er gerade noch oberhalb der Gürtellinie landen würde, erspare ich Ihnen. Lieber nehme ich mich selber an der Nase und erinnere mich an die riesige Basskiste, die mir damals im Puma zwei Drittel des Kofferraums verstellte.

In der E-Klasse raufen sich auch schon zwei Bildschirme um den Platz. Drauftappen kann man sich aber sparen. Mercedes-Benz findet Fingerabdrücke auf Glas nicht schön und unterstützt deshalb diese Art der Bedienung nicht. Der Testbericht zum Mercedes-AMG E 53 Cabrio geht übrigens in den nächsten Tagen online.
Foto: Guido Gluschitsch

Unterhaltung im Auto ist eben ein wichtiges Thema. Drive-Time nennen Rundfunksender die Zeit, wo die meisten Menschen in die Arbeit oder wieder nach Hause fahren. Da haben sie die meisten Hörer. Noch. Denn die neuen Bildschirme können nicht nur Radio spielen. Die schaffen es auch, Musik zu streamen – während sie unsere persönlichen Fahrdaten an wen auch immer schicken.

Gute alte Räubergschichten

Das klingt jetzt alles so negativ. Ist es aber gar nicht. Früher, sagte mir ein Pressesprecher, hätten sie auf der Vienna Autoshow immer ein, zwei Techniker dabeigehabt, die im Grunde nix anderes gemacht haben, als diverse Typen samt ihrem Werkzeug aus den Autos zu entfernen und danach die Radios wieder für die restlichen Besucher zu montieren. Das gibt es heute anscheinend nimmer.

Bei der Vienna Autoshow war es früher einmal ganz gut, manchem Besucher genauer auf die Finger zu schauen, wenn der Kopf hinter der Windschutzscheibe abtauchte.
Foto: APA

Was es schon noch gibt, wenn auch nicht mehr in der ursprünglichen Form, das ist Motorola. 2011 wurde die Motorola Inc. in die Motorola Mobility und die Motorola Solutions aufgeteilt. Beide Firmen machen heute, stark vereinfacht ausgedrückt, Telefone. Die sind ja heute auch schon mehr Bildschirm und werden kaum noch dafür verwendet, wofür sie einst erfunden wurden. Aber das ist eine andere Geschichte. Für uns wichtiger ist eine andere.

So fing alles an

Motorola hieß nämlich das erste kommerziell erfolgreiche Autoradio. 1930 entwickelte es Bill Lear – der später mit Acht-Spur-Tonbändern und seinen Jets noch einmal von sich reden machen sollte – gemeinsam mit Elmar Wavering für GMC. Zierlich war das Teil damals noch nicht. Dafür aber teuer. Das erste Autoradio, wenn es stimmt, wurde 1922 in einen Ford, ein Modell T, eingebaut. Und bevor Sie mir jetzt zu schwärmen anfangen, weil Ihnen sofort einfällt, dass da damals natürlich Röhren verbaut wurden: Die Radios kannten nicht nur keine komprimierten MP3s, sondern auch keine CDs, nicht einmal UKW, die Ultrakurzwelle.

Autoradios waren bei schönen Autos immer schon ein Stück der Designarbeit. Und wenn Sie auf dem Bild die Isabella von Borgward erkannt haben, dann gratuliere ich Ihnen herzlich zu Ihrer Fachkenntnis.
Foto: iStockphoto

Die kam ja erst nach dem Krieg, startete in Deutschland, weil die Siegermächte die guten Frequenzen auf den anderen Bändern für sich selbst beanspruchten. 1949 nahm in München der erste UKW-Sender seinen Betrieb auf. Mono. Die Stereo-Premiere holte sich 1963 der Sender Freies Berlin. Da gab es schon zehn Jahre lang UKW-Radios in Autos. Das Mexico von Becker war das erste UKW-Autoradio. Ja, Becker gibt es so heute auch nicht mehr.

Die ultrakurze Welle

Begehrt waren ab den 1950er- bis weit in die 90er-Jahre neben Becker und Blaupunkt die Geräte von Philips. Pioneer-Pickerln über die ganze Heckscheibe kamen erst später. Philips brachte 1958 als Erster den Plattenspieler ins Auto, 1968 die Kassetten. Erinnern Sie sich noch, wie das war, als man am Beifahrersitz keinen Platz fand, weil der immer voller Kassetten war? Bis diese Schachteln, am Mitteltunnel montiert, die zehn wichtigsten Bandln aufbewahrten. Schön waren die Kasteln auch – auf die Mittelkonsole geschraubt, wenn sie an einem heißen Sommertag schmolzen und übers Cockpit zu rinnen anfingen.

Leo Josimovic ist in Wien der letzte Restaurator und Reparateur von alten Autoradios.
Foto: Thomas Pressberger

Es folgten Code-Sicherungen für Autoradios, die begehrtes Diebesgut waren. Das bedeutete, dass man dir nicht nur das Auto knackte und das Radio fladerte, sondern auch das Handschuhfach ausräumte, weil wo sonst sollte der Zettel mit dem Code liegen? Keycards waren dann noch so eine findige Idee. Die ließ man natürlich stecken, wenn man sein Auto nicht gerade beim Autogrill in Palermo abstellte. Damit waren sie entweder sperrig oder noch öfter sinnlos.

Sogar im Suzuki Jimny ist man schon komplett digitalisiert.
Foto: Guido Gluschitsch

Nicht so sinnlos waren Entwicklungen wie RDS, das Radio Data System, das nur dafür entwickelt wurde, Verkehrsdaten ans Auto zu senden. Heute hängt jedes bessere Navi im weltweiten Netz, und wenn man sein Smartphone im Screen spiegelt, dann saugt man ebenfalls die Verkehrsdaten in Echtzeit vom Google-Server. Und schickt ihm auch gleich die eigenen.

Rainer Königs, 2004, dreht in seinem Autoradiomuseum in Haan an einem Spezialradio des Herstellers Autovox für den Fahrzeugtyp Fiat 600 aus dem Jahr 1963.
Foto: APA / dpa / Barbara Sax

Google habe ich dann auch bemüht, um doch noch ein Auto mit Radiovorbereitung zu finden. Als Gustostückerl steht in der Preisliste daneben in Klammern "Lautsprecher im Lieferumfang nicht enthalten". Na, was glauben Sie? Welches Auto? Genau. Dacia Duster Access um 11.990 Euro. Um zehn Euro, damit die 12.000 Euro voll sind, findet man online schon gebrauchte Autoradios. Nur Lautsprecher hat man dann immer noch keine. Eine Alternative wäre es, wie früher ein Kofferradio auf den Beifahrersitz zu legen. Wir sind seinerzeit, im Escort, noch so unterwegs gewesen. Brigitte Xander, sag ich nur. (Guido Gluschitsch, 18.1.2019)