Für die Betroffenen war und ist es eine Zitterpartie. Mehreren Dutzend Austrotürken wurde in den vergangenen Monaten der österreichische Pass entzogen – rechtskräftig, aber womöglich zu Unrecht.

Der Vorwurf: Sie hätten auch eine türkische Staatsbürgerschaft, und Doppelstaatsbürgerschaften sind in Österreich in der Regel verboten. Die Grundlage der Passabnahmen waren Listen – angeblich Auszüge der türkischen Wählerevidenz –, die den Behörden von der FPÖ zugespielt wurden. Daraufhin wurden allein in Wien rund 18.000 Verfahren eingeleitet.

Zweiter Pass oder nicht

Der Verfassungsgerichtshof hat im Fall eines Betroffenen im Dezember dann aber eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: Der Datensatz, von dem nicht geklärt ist, woher die Freiheitlichen ihn hatten, sei kein taugliches Beweismittel. Die türkischen Behörden kooperieren nicht mit den österreichischen. Es lässt sich also nicht abschließend beurteilen, wer einen zweiten Pass hat, wer nicht. Und jetzt?

illustration: Fatih Aydogdu

Am Donnerstag wurde in Wien bei einem nicht öffentlichen Termin auf Referentenebene über eine abgestimmte Vorgehensweise aller Bundesländer beraten. Wie DER STANDARD erfahren hat, wollen jene Länder, in denen Aberkennungen erfolgt sind, wohl denselben Weg wie Wien einschlagen und die rechtskräftigen Bescheide zurückziehen. Alle Betroffenen, denen die Staatsbürgerschaft aufgrund der FPÖ-Liste entzogen wurde, würden sie somit zurückbekommen.

Goodwill der Behörden

Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer hält im Gespräch mit dem STANDARD jedenfalls fest: "Die Betroffenen sind vom Goodwill der Behörden abhängig." Rechtlich sei es möglich, Entscheidungen aufzuheben, auch nachdem sie bereits Rechtskraft entwickelt haben. "Allerdings gibt es keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch macht", sagt der Jurist.

In Wien ist die Sache schon länger klar: 34 Personen war aufgrund der Verdachtslisten ihre österreichische Staatsbürgerschaft rechtskräftig aberkannt worden. 18 der Betroffenen wurden inzwischen aber quasi wieder eingebürgert – die rechtskräftigen Bescheide sind nachträglich aufgehoben worden, darüber wurden die Betroffenen im Jänner informiert. 16 Personen bekommen ihren Pass hingegen nicht zurück. Denn hier hätten nicht nur die FPÖ-Datensätze, sondern auch weitere Beweise zu dem Schluss geführt, dass die türkische Staatsbürgerschaft verbotenerweise wieder angenommen wurde.

Tausende Fälle eingestellt

Die tausenden offenen Fälle in Wien könnten so gut wie alle positiv beendet werden. Der "absolut überwiegende Teil" sei nämlich ähnlich gelagert wie jener, der vom Verfassungsgerichtshof entschieden wurde, heißt es aus dem Büro des zuständigen Stadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ). (Katharina Mittelstaedt, 18.1.2019)