Der triste Ruhrpott-"Tatort" könnte Menschen mit Ermittler Faber versöhnen, die ihn noch nie ausstehen konnten – findet die "Neue Zürcher". Die "Frankfurter Rundschau" findet die feine Ziselierung dieser Folge aus Dortmund "hinreißend" unaufdringlich. "Spiegel" und STANDARD sehen den "Tatort: Zorn" nicht ganz so positiv. Und Sie?

Die Story

Der ehemalige Bergmann Andreas Sobitsch wird erschossen am Flussufer aufgefunden, unweit von Dortmund. Sein Zuhause war eine alte Zechensiedlung. Die Kommissare Peter Faber (Jörg Hartmann, rechts im Bild am Fundort der Leiche), Martina Bönisch, Nora Dalay und Jan Pawlak befragen Freunde und Ex-Kollegen des Mordopfers. Sobitsch hat sich bis zuletzt für die Interessen der Bergleute eingesetzt. Aber in der einst eingeschworenen Gemeinschaft herrscht Streit: Auf dem Gelände ihrer Zeche öffnet bald ein Freizeitpark. Neue, adäquate Jobs in der Region zu finden, ist schwierig. Viele fühlen sich als Verlierer des Strukturwandels im Ruhrgebiet (wo vor wenigen Wochen tatsächlich die letzte Zeche geschlossen wurde). Bei den Ermittlungen tauchen neue Hinweise auf. Gibt es Verbindungen zu extremistischen Kreisen?

Foto: ORF / ARD / Thomas Kost

Die Schwäche rechter Gefahrenlagen

"Schwach ist die Folge, wenn die sozialen Erosionen im Pott in betont aktuelle Gefahrenlagen gedreht werden", findet "Spiegel"-Experte Christian Buß. "So führt die Spur zu einem sogenannten Reichsbürger, der offensichtlich mit Sprengstoff handelt. Beamte, die sein abgeriegeltes Areal betreten wollen, belehrt dieser: 'Laut Resolution 56 Schrägstrich 83 der Vereinten Nationen ist das, was Sie hier treiben, Terrorismus.' Ein Anschlag durch den Staatsgegner scheint möglich."

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Zu wenig relevant

"Im Dortmund-Krimi erscheint der Schwenk zu den rechten Realitätsverweigerern so, als hätte die Verantwortlichen Angst gehabt, die Bergarbeiter-Geschichte allein sei nicht relevant genug für die Gegenwart. Dabei liegt gerade in ihr politisches und menschliches Drama", schreibt Buß.

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Einfach zuviel

"Die Mördersuche beginnt so behäbig und betulich, dass durchaus noch Zeit für einen kleinen Sidekick bleibt", berichtet STANDARD-Kritikerin Birgit Baumann: "Frau Kommissarin (im Bild Anna Schudt als Martina Bönisch) hat Rückenweh, keine Tabletten helfen, also schickt Faber sie zur Reiki-Behandlung. Das ist nett anzusehen, hilft aber bei der Handlung auch nicht weiter. Doch just als sich daheim auf dem Sofa vor dem Fernseher ein gewisser Unmut einschleichen will, geht es Schlag auf Schlag. Denn plötzlich gibt es Verbindungen zur Reichsbürgerszene und zum Verfassungsschutz, ein altes Stahlwerk muss auch noch in Szene gesetzt werden. Für sich genommen sind das alles starke Themen mit viel Potenzial, alles zusammen ist einfach zu viel, der Teller bald so überfüllt wie beim All-you-can-eat-Buffet", seufzt Baumann.

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Hysterie beim Verfassungsschutz

Wie die vom Bergbau unterminierten Häuser der Exkumpel verlieren auch die Menschen den Halt, schreibt Claudia Schwartz in der "Neuen Zürcher Zeitung" über den "Tatort" aus Dortmund: "Da zieht so manches Klischee ein wie der (mittlerweile schon unvermeidliche) gewaltbereite Reichsbürger oder eine aufgesetzt hysterische Verfassungsschützerin ohne jede Contenance (was hier selbst die schillernde Bibiana Beglau nicht vor Peinlichkeit schützt)", hier im Bild links.

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Hinreißend

Judith von Sternburg indes findet in der "Frankfurter Rundschau" schon die Lösung für Kommissarin Bönischs Rückenschmerzen hinreißend. "Noch hinreißender ist es aber, wie unaufdringlich das alles zusammengefügt wird. Obwohl der Kriminalfall – ein Kumpel ist tot, die Zusammenhänge sind mannigfach – vor Spannung und Überraschungseffekten nicht erbeben lässt, ist die Qualität der Szenen aufregend genug. Denn obwohl es im Dortmund-'Tatort' noch nie an klarer Ansprache mangelte, findet die Holzhammermethode keine Anwendung. Alles ist Detail, alles ist individuell, und obwohl es um eine Maloche geht (ging), die sich unsereiner nicht vorstellen kann, gehört 'Zorn' zu den feinziselierten 'Tatort'-Folgen." (red, 20.1.2019)

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