Das Mikrobiom wurde von der Medizin lange unterschätzt. Neue Forschungen zeigen langsam seine ganze Bedeutung.

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Wien – Die Milliarden von Bakterien, die in unserem Darm leben, sind in den letzten Jahren zu einem der besonders innovativen Forschungsfelder in der Medizin aufgerückt. Denn das sogenannte Mikrobiom spielt nicht nur bei der Verdauung die entscheidende Rolle. Auch unser Immunsystem hängt davon maßgeblich ab. Zudem steht der Darm, wie man heute weiß, in einer engen Beziehung mit dem, was sich in unserem Hirn tut.

Forscher um Alex Zhavoronkov (InSilico Medicine in Rockville, Maryland) haben für eine auf dem Preprint-Server "bioRxiv" veröffentlichte Studie mehr als 3.600 Stuhlproben von 1.165 gesunden Menschen rund um den Globus analysiert und mit Software-Unterstützung eine überraschende Entdeckung gemacht: Die bakterielle Zusammensetzung des Mikrobioms ist eine erstaunlich genaue biologische Uhr.

Konkret erwiesen sich von den 95 hauptsächlich vorkommenden Bakterienarten 39 als entscheidend für die Miokrobiom-Altersprognose, die bei den meisten Personen eine Abweichung von weniger als vier Jahre zum tatsächlichen Alter aufwies.

Typische Signatur bei Erkrankungen

Schweizer Wissenschafter wiederum haben die Darmflora bei chronischen Darmerkrankungen untersucht und eine typische "Signatur" gefunden. Konkret werteten die Mediziner der Uni Bern Daten von 270 Personen mit Morbus Crohn, 232 mit Colitis ulcerose und von 227 Gesunden aus. Unter anderem dank Analysen mit lernenden Algorithmen konnten sie so typische "Signaturen" der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen feststellen

Demnach unterscheidet sich die Darmflora der Erkrankten grundlegend von jener der Gesunden. Erstere hatten deutlich mehr krankmachende Bakterienstämme im Darm, berichtete das Team um Andrew Macpherson, Bahtiyar Yilmaz und Pascal Juillerat im Fachblatt "Nature Medicine". Zudem waren bei den von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa Betroffenen weniger "gute" Bakterien zu finden, die für die Darmgesundheit entscheidend sind.

Die Darmflora lässt sich durch Ernährung, Lebensstil und sportliche Aktivität beeinflussen. So konnten die Berner Forschenden auch frühere Studienergebnisse bestätigen, dass Sportlichkeit der Erkrankten mit weniger schweren Krankheitsverläufen zusammenhängt. Bei den sportlicheren Erkrankten fanden sich auch mehr der "guten" Bakterienstämme.

Heilende Diversität der Transplantate

Zur Therapie der oben Erwähnten Erkrankungen kommen immer öfter auch Fäkaltransplantate erfolgreich zur Anwendung. Wie gut diese bei den Empfängern wirken, hängt – wie nicht weiter überraschend – ebenfalls von der Diversität der Darmbakterien ab, berichtet wiederum ein Team um Justin O'Sullivan (Uni Auckland) im Fachblatt "Frontiers in Cellular and Infection Microbiology".

Wie die Forscher in ihrer Metastudie herausfanden, scheint eine möglichst hohe Diversität von Bakterien in fast jedem Therapiefall hilfreich zu sein. Dennoch scheint es den "Superstuhl" nicht zu geben, der für alle behandelten Krankheiten (Kolitis, Infektionen mit dem Bakterium Clostridium difficile etc.) gleichermaßen ideal geeignet ist. (tasch, 22.1.2019)