Wird am Karfreitag gearbeitet, bedeutet das nicht für alle gleichermaßen, dass sie dafür auch Feiertagsentgelt bekommen.

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Die österreichische Regelung, wonach evangelische und altkatholische Arbeitnehmer am Karfreitag einen staatlichen Feiertag haben, andere aber nicht, ist diskriminierend und daher EU-rechtswidrig. Das hat der Europäische Gerichtshof am Dienstag entschieden. Das Urteil setzt Österreich unter Druck. Bis zum nächsten Karfreitag, den 19. April, muss Österreich seine Regelung ändern.

Anders als der Generalanwalt in seiner Stellungnahme verlangt der EU-Gerichtshof allerdings nicht, dass die privilegierte Gruppe den Anspruch auf den Feiertag oder ein Feiertagsentgelt, wenn man dennoch arbeitet, verliert. Im Gegenteil: Nach Rechtsansicht der Richter steht der Karfreitag allen österreichischen Arbeitnehmern zu, wenn sie an diesem Tag nicht arbeiten wollen. Wird dieses Ansuchen abgelehnt, haben sie Anspruch auf Feiertagsentgelt.

Gleichbehandlung wiederherstellen

Das würde bereits für den Karfreitag des Jahres 2019 gelten, wenn der österreichische Gesetzgeber nicht bis dahin die Rechtslage ändert, ohne eine neue Diskriminierung zu verursachen.

Der EuGH erklärt dazu in einer Aussendung: "Solange Österreich seine Rechtsvorschriften nicht zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung geändert hat, ist ein privater Arbeitgeber, der diesen Rechtsvorschriften unterliegt, verpflichtet, auch seinen anderen Arbeitnehmern das Recht auf einen Feiertag am Karfreitag zu gewähren, sofern diese zuvor mit dem Anliegen an ihn herangetreten sind, an diesem Tag nicht arbeiten zu müssen, und ihnen folglich, wenn er sie abschlägig beschieden hat, das Recht auf ein Zusatzentgelt für die an diesem Tag erbrachte Arbeitsleistung zuzuerkennen."

Diskriminierung aus Gründen der Religion

Geklagt hatte ein Mitarbeiter einer privaten Detektei, der keiner der fraglichen Kirchen angehört. Er argumentierte, dass ihm für die an einem Karfreitag geleistete Arbeit das Feiertagsentgelt in diskriminierender Weise vorenthalten worden sei, und forderte ein solches von seinem Arbeitgeber. Der mit dem betreffenden Rechtsstreit befasste Oberste Gerichtshof in Österreich befragt den Europäischen Gerichtshof in der Folge zur Vereinbarkeit der österreichischen Regelung mit dem unionsrechtlichen Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion.

Bischofskonferenz für Entfall der Feiertagszuschläge

Der Generalsekretär der römisch-katholischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, ist dafür, dass der Karfreitag für Evangelische und Altkatholiken ein gesetzlicher Feiertag bleibt, aber bei gleichzeitigem Entfall der Feiertagszuschläge für jene, die dennoch an diesem Tag arbeiten. Es sei zu hoffen, dass der Gesetzgeber bald eine Lösung finde, sagte Schipka zu Kathpress.

Weil der Karfreitag für evangelische Christen eine "zentrale religiöse Bedeutung" habe, solle die diesbezügliche "Feiertagsregelung lediglich modifiziert" werden, schlug Schipka vor. "Mit der Streichung der Zuschläge für jene, die trotzdem am Karfreitag arbeiten, wäre sowohl dem EuGH-Urteil als auch dem berechtigten Anliegen der drei evangelischen sowie der altkatholischen Kirchen entsprochen." Die katholische Kirche werde in dieser Frage eng mit den evangelischen Kirchen zusammenarbeiten, kündigte er an.

Große Uneinigkeit bei Sozialpartnern

Arbeitszeit und deren Verkürzung respektive Verlängerung birgt bei den Sozialpartnern seit geraumer Zeit großes Konfliktpotenzial. Wenig überraschend reagieren beide Seiten vollkommen diametral auf das Urteil des EuGH.

Die Wirtschaftskammer (WKO), der Wirtschaftsbund und die Industriellenvereinigung (IV) orten "ausufernde Zusatzbelastungen" für den die Wirtschaft. "Ein Feiertag kostet in Österreich rund 600 Millionen Euro. Ob der Arbeitgeber keine Leistung erhält und zahlen muss oder den doppelten Lohn zahlen muss, bleibt sich egal", sagt Rolf Gleißner von der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer zum STANDARD. Außerdem sei es unverhältnismäßig, allen einen Feiertag zuzusprechen, von dem aktuell nur vier Prozent profitieren.

Auch WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf und IV-Generalsekretär Christoph Neumayer betonen, dass Österreich mit 13 Feiertagen im internationalen Spitzenfeld liege und man nicht noch einen brauche. Das schwäche den Standort.

Auf Arbeitgeberseite wünscht man sich vom Gesetzgeber demnach eine rasche und gleichheitskonforme Regelung, die die Wirtschaft nicht zusätzlich belastet. Man könne beispielsweise den Vorschlägen des evangelisch-lutherischen Bischofs Michael Bünker einiges abgewinnen, so Gleißner. Dieser zog in Erwägung, einerseits den Pfingstmontag zu streichen, andererseits die gesetzlichen Zuschläge für Evangelische bei Arbeit am Karfreitag entfallen zu lassen.

Arbeitnehmerseite fordert Feiertag

Die von der WKO vorgerechneten 600 Millionen Euro stoßen bei der Gewerkschaft auf Unverständnis. "Als die Arbeitgeber den Zwölfstundentag und die 60-Stunden-Woche bekommen haben, sprach niemand davon, wie viel sie sich dadurch ersparen. Das ist ein Vielfaches dieser Summe", sagt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, im Gespräch mit dem STANDARD. Arbeitnehmer würden in kürzerer Zeit immer mehr leisten, deshalb sei es nur fair, dass es jetzt einmal in die andere Richtung gehe und sie einen zusätzlichen Feiertag bekommen.

Mit dem Vorschlag von Bischof Bünker kann Achitz wenig anfangen: "Als Interessenvertreter von Arbeitnehmern kann es nicht mein Ziel sein, denen etwas wegzunehmen, die etwas haben – nur um Gleichbehandlung herzustellen." Er fordert den Gesetzgeber auf, den Karfreitag möglichst schnell in die Liste der gesetzlichen Feiertage aufzunehmen.

Auch der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried unterstützt die Forderung des ÖGB. Die Österreicher hätten sehr lange wöchentliche Arbeitszeiten, argumentierte Leichtfried am Dienstag. Keine Lösung wäre es für die SPÖ, dafür andere gesetzliche Feiertage zu streichen.

Bundesregierung will Auswirkungen "genau prüfen"

Die Bundesregierung will die Entscheidung und die damit verbundenen Auswirkungen "genau prüfen", sagte Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal. "Nach dieser Prüfung wird die Bundesregierung zeitnah weitere Schritte bekanntgeben." Dem Vernehmen nach könnte das Urteil auch Thema im Ministerrat am Mittwoch sein.

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl betonte, dass man nun zunächst die Reaktion der Regierung abwarten wolle. Es gebe viele Fragen, die offen seien. Wobei sie hoffe, dass man nun nicht alle Feiertage diskutiere. Auch die Frage, ob man einen anderen nun möglicherweise streiche, müsste man allen Arbeitnehmern stellen, befand Anderl. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass man dazu bereit ist."

Jom Kippur nur im Generalkollektivvertrag

Noch ist unklar, inwieweit auch der jüdische Versöhnungstag Jom Kippur betroffen ist. Im Gegensatz zum Karfreitag ist dieser zwar nicht im Arbeitsruhegesetz geregelt. Allerdings gilt er laut Generalkollektivvertrag als arbeitsfreier Tag für Juden. Die Wirtschaftskammer glaubt, dass der Fall anders zu sehen sei als der Karfreitag.

Der Versöhnungstag Jom Kippur gilt für Arbeitnehmer, die der israelitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich angehören, als arbeitsfreier Tag. Grundlage dafür ist der Generalkollektivvertrag aus dem Jahr 1953. Die Arbeitnehmer müssen dafür in einem gewerblichen Unternehmen beschäftigt sein, das der Wirtschaftskammer angehört, in Österreich wohnhaft sein und ihre Zugehörigkeit zur israelitischen Glaubensgemeinschaft nachweisen.

Darüber hinaus kann die Freistellung zu Jom Kippur laut Generalkollektivvertrag nur gewährleistet werden, wenn die Arbeitsleistung der Betroffenen aus betriebsbedingten Gründen nicht erforderlich ist. Die Bediensteten müssen die Freistellung mindestens eine Woche vorher beim Arbeitgeber beantragen.

"Es ist eine ähnliche Problematik. Der Europäische Gerichtshof hat sich aber zu dieser Frage nicht geäußert", sagte Rolf Gleißner, zuständig für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, im Ö1-Mittagsjournal. Jom Kippur sei zudem nicht im Arbeitsruhegesetz verankert. "Das heißt, die Frage wäre dort vielleicht ein bisschen anders zu sehen."

IKG glaubt nicht an Änderung

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, sieht den jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur nicht vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Karfreitag betroffen. Das EuGH-Urteil habe nichts mit den Regelungen für jüdische Arbeitnehmer am Jom Kippur zu tun, denn "das eine ist die gesetzliche Ebene, das andere eine kollektivvertragliche Regelung", befand Deutsch auf Twitter.

Ob der Karfreitag als gesetzlicher Feiertag für alle Österreicher infrage komme, "sollten Kirchen und Politik ebenso diskutieren wie eventuelle Kompensationen mit anderen Feiertagen", meinte Deutsch am Dienstag außerdem. (ef, red, APA, 22.1.2019)