Ein bisserl mehr Auseinandersetzung würde der ehrwürdigen "Alma Universitas Graecensis Carolo Franciscea" guttun, meint eine "Minifizienz" mit allem gebotenen Respekt.

Foto: elmar gubisch

Am Mittwoch findet am Vormittag an der Universität Graz das Hearing für das Amt des künftigen Rektors statt. Die aus zwei Personen bestehende "Findungskommission" entschied, drei Bewerber zur (teil) öffentlichen Präsentation ihrer Ideen einzuladen. Im Anschluss daran wird der Senat einen Dreiervorschlag erstellen, aus dem dann der Uni-Rat den neuen Rektor auswählt. Manche fragen sich, warum nur drei Kandidaten gehört werden. Im Folgenden stellt einer der nicht eingeladenen Bewerber vor, was die Angehörigen der Uni Graz nicht zu hören bekommen.

Als ich mich Ende November um das Amt des Rektors der Universität Graz für die Amtsperiode 2019 bis 2023 beworben habe, wäre ich keine hohe Wette darauf eingegangen, Rektor zu werden. Womit ich damals nicht rechnete, war, dass die lokalen Influencer (hinter) der Findungskommission (bestehend aus der erst seit einem halben Jahr amtierenden Vorsitzenden des Uni-Rats und einem Betriebswirtschaftsprofessor, der dem Senat vorsitzt) meine Ideen für so gefährlich hielten, dass sie deren öffentliche Präsentation zu verhindern trachteten.

Stille Fädenzieher

Das Vorgehen wirft ein bezeichnendes Licht auf die Diskurskultur der im Stillen die Fäden ziehenden Kreise. Weniger wundert es mich, dass die Grazer Uni-Angehörigen sich in ihrer überwiegenden Mehrheit derart schurigeln lassen, aber das ist fast schon eine andere Geschichte.

Was waren und sind die Ideen und Vorschläge, die nicht vorgestellt werden dürfen?

· Erstens argumentiere ich in meinem Positionspapier, dass die Karl-Franzens-Universität ein Regionalversorger ist, der, statt sich dieses Umstandes bewusst zu sein, gebetsmühlenartig kundtut, bei welchem Ranking man wiederum toll abgeschnitten habe. Seit Jahrzehnten ist die Grazer Universität die Ausbildungsstätte der studierwilligen Jugend eines Einzugsgebiets mit einem Radius von vielleicht 80 Kilometern um das Hauptgebäude.

Im Wartesaal des Lebens

Eine evidenzbasiert vorgehende Universitätsleitung müsste aus diesem Umstand endlich Schlüsse ziehen. Es ist grob fahrlässig, jede/n zweite/n der Alterskohorte zur Aufnahme eines Universitätsstudiums einzuladen, danach aber die Hälfte als Studienabbrecher zu verlieren. Eine Universität, die zum Wartesaal des Lebens der Hälfte der jungen Menschen wurde, muss den geänderten Erwartungen der Studierenden endlich Rechnung tragen.

Sich hinter der altbackenen Bildungsrhetorik vergangener Epochen zu verstecken ist Ausdruck massiver Verantwortungslosigkeit der Institution und ihrer Funktionsträger.

· Zweitens weise ich darauf hin, dass die Grazer Universität bei der seit 2007 möglichen Bewerbung um Mittel aus dem European Research Council (ERC) bislang blamabel schlecht abgeschnitten hat. Von den 224 von österreichischen Forschungsstätten gewonnenen Grants entfallen drei auf die Grazer Uni.

Entweder hat es die Universität nicht vermocht, ihre besten Forscherinnen und Forscher entsprechend zu motivieren und zu unterstützen, oder die Professoren der Grazer Uni sind bei solchen internationalen Wettbewerben nicht konkurrenzfähig. Mit einem Bild aus der Welt des Sports ausgedrückt, spielt die Grazer Universität eben nicht in der Champions League, sondern in der Regionalliga.

· Drittens sollte aus diesem Umstand eine andere Personalentwicklungspolitik folgen. Es führt offenkundig zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn man von oben nach unten erneuert, Professorenstellen ausschreibt, die dann Personen bekommen, die in dem vorher erwähnten ERC-Wettbewerb nicht zu reüssieren vermögen. Wenn schon Regionalliga, dann bitte auch: Ausbildungsverein.

Es spricht nämlich nichts dafür, dass die Zahl der Hochtalentierten unter den Prädocs und Postdocs der Grazer Uni markant geringer sein sollte als bei vergleichbaren Mittelklasseuniversitäten Europas. Diese Talente gilt es zuerst zu identifizieren und danach maximal zu fördern.

· Viertens Abschließend weise ich in meinem Bewerbungsschreiben daraufhin, dass die Professorenschaft der Grazer Uni die Pessimismusepidemie unter ihren Studierenden widerstandslos hinnimmt. Wer mit Studierenden redet, hört Schilderungen über die Zukunft im Allgemeinen und die eigene berufliche, die dunkler nicht sein könnten.

Studentische Schwarzseherei

Ganz anders als wir Forscherinnen und Forscher, denen die Zukunft Neues und Entdeckenswertes bereithält, was mit einer pessimistischen Weltsicht nicht gut in Einklang zu bringen ist. Der Widerspruch von studentischer Schwarzseherei und professoraler Welt- und Zukunftsoffenheit beruht vorrangig nicht darauf, dass wir es uns gerichtet haben und über kommode Gehälter verfügen und sicheren Pensionsleistungen entgegenblicken.

Soziologisch gesprochen war meine Bewerbung ein Krisenexperiment. Dabei werden Akteure dazu provoziert, die ihrem Handeln zugrunde liegenden impliziten Regeln offenzulegen. Die Einflussreichen in und rund um die Grazer Universität haben mir die Freude gemacht, ihre Rolle perfekt zu spielen und ihre Moral offenzulegen: Öffentliche kontroverse Diskussion ist unerwünscht.

Ich werde es verkraften, nicht Magni-, sondern Minifizienz zu werden, der Uni Graz wird ihre von oben verordnete Maxime "Hände falten, Goschn halten" hingegen sicher nicht zum Vorteil gereichen. (Christian Fleck, 22.1.2019)