Ist gar nicht so ein harter Knochen, wie anfangs erwartet, und schaut in den Illustrationen von Regine Kehn auch nicht besonders böse nicht aus: Rodrigo Raubein (re.) und Knirps.

Foto: Thienemann Verlag

Als Michael Ende 1995 starb, hinterließ er den Anfang für ein Kinderbuch. In seinen letzten Jahren hatte er daran gearbeitet, es aber nicht vollendet. Nun wurde Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe weitergedichtet und veröffentlicht. Held ist ein Bub, der Raubritter werden will.

Knirps ist Spross eines fahrenden Puppentheaters. In einer stürmischen Nacht verunfallt es. Papa und Mama Dick fürchten, Knirps sei vom Wagen gefallen. Doch der Bub ist ausgebüchst, um vom gefürchteten Räuber Raubein zu lernen, was das Böse ist. Denn wer Gut und Böse nicht unterscheiden könne, bleibe ewig Kind, hat er gehört, und das will Knirps nicht.

Papagei als Autor

Die ersten drei Kapitel hat Ende Anfang der 1990er abgetippt. Eine Schreibmaschinenfassung bedeutete, dass er mit einem Manuskript zufrieden war. Drei Jahre hat er die Geschichte im Kopf weitergewälzt, ohne sie auf Papier fortzusetzen. 2015 schickte Endes Verlag Thienemann eine Kopie davon an den Kinderbuchautor Wieland Freund, der sie nun fertigerzählt. Er zieht die Welt des von Ende angelegten Dick’schen Puppentheaters mit Prinzessin, König und Drache zur Komplettierung heran.

Aus den original 30 Seiten werden so 200. Den sprechenden Papagei der Dicks baut Freund zu einem Alter Ego seiner selbst aus: Das Tier versucht aus einem Geschichtenbuch der Puppenspieler zu schließen, was Knirps wohl erlebt und wo man den Abenteurer wiederfinden könnte.

Große Namen von einst

Vergangenes Jahr ist – ebenfalls bei Thienemann – die Überarbeitung eines vermeintlich unbekannten Fragments von Otfried Preußlers Räuber Hotzenplotz erschienen. Das Geschäft mit den großen Namen von einst dürfte lohnend sein, wiewohl die Reaktionen auf den Hotzenplotz durchwachsen waren. Das Medienecho war damals und ist nun für Kinderliteratur ungewöhnlich groß.

Die Genese von Rodrigo Raubein ist transparent. Auf dem Cover steht Freunds Name gleichberechtigt neben Endes, der 35 Millionen Bücher in über 40 Sprachen verkauft hat, darunter Klassiker wie Momo und Die unendliche Geschichte.

Ob die nun spät vollendete Geschichte sich bei Ende ähnlich entwickelt hätte, ist eine müßige Frage. Wenn Freunds Knirps im Wald auf Wurzelgnome tritt, tut er das, weil ihm das Bewusstsein für die Wesen fehlt. Ende, in dessen Büchern immer wieder Kritik am Umgang mit der Umwelt mitschwingt, wäre also zumindest wohl nicht gänzlich unzufrieden. (Michael Wurmitzer, 23.1.2019)