Broncia Koller-Pinell

Als Tochter eines jüdischen Wollfabrikanten genoss Broncia Koller-Pinell (1863-1934) privaten Kunstunterricht. Sie gehörte zur Malerelite Österreichs, war etwa Teil der Freitagabendtreffen der Klimtgruppe und an rund fünfzig Ausstellungen beteiligt. Trotz ihres Renommees geriet sie komplett in Vergessenheit. Offen bis ins hohe Alter, durchlief ihr Werk viele moderne Kunstströmungen, vom Impressionismus über den Jugendstil bis zu Expressionismus und Neuer Sachlichkeit.

Foto: Bildarchiv des Belvedere

Friedl Dicker-Brandeis

Bereits mit 16 Jahren hatte die Wienerin (geb. 1898) ihr Fotodiplom in der Tasche, sie wollte aber Künstlerin werden. Ihrem Lehrer Johannes Itten folgte sie 1919 ans Bauhaus. In Berlin und Wien arbeitete Dicker später als Innenarchitektin, schuf aber auch explizit politische Kunst. Als KPÖ-Mitglied wurde sie 1934 verhaftet. Nach der Freilassung emigrierte sie nach Prag, wo sie im Untergrund aktiv war. 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet.


Teresa Feodorowna Ries

Die gebürtige Russin Teresa Feodorowna Ries (1874-1956) hatte in Moskau Malerei studiert, in Wien blieb ihr die Akademie jedoch verwehrt. Aber die selbstbewusste Einzelkämpferin gewann den Bildhauer Edmund Hellmer als Lehrer. Ries reüssierte als Bildhauerin, stellte im Künstlerhaus und in der Secession aus, erhielt öffentliche Aufträge. 1942 floh die Jüdin in die Schweiz. Ihr Lebenswerk, darunter Skulpturen im öffentlichen Raum, blieb zurück. Vieles wurde im Krieg zerstört.

Foto: Universität für angewandte Kunst

"Malende Hausfrau". Eine Beleidigung, wie man sie noch 1980 über die Künstlerin Broncia Koller-Pinell in den Medien lesen konnte. Eine Frechheit, war Koller-Pinell doch nicht nur Teil jenes Secessionistenzirkels um Gustav Klimt, der sich jeden Freitag im Kaffeehaus traf, sondern auch in den Kunstschauen 1908 und 1909 vertreten. Sie stellte zudem in einer der beiden Wiener Avantgardegalerien aus, der Galerie Miethke, also jenem Ort, an dem auch van Gogh und Gauguin dem hiesigen Publikum vorgestellt worden waren.

Broncia Koller-Pinell: "Die Mutter der Künstlerin" (1907).
Foto: Johannes Stoll, Belvedere

Broncia Koller-Pinell wurde aus der Kunstgeschichte hinauskomplimentiert. Und das war für Künstlerinnen, die zwischen 1900 und 1938 in Wien tätig waren, nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Es gab im Gegenteil eine Reihe von Frauen, die sehr sichtbar waren und auf Augenhöhe mit männlichen Kollegen gearbeitet haben. Malerinnen wie Tina Blau und Elena Luksch-Makowsky etwa oder die Bildhauerinnen Teresa Feodorowna Ries und Elza Kövesházi-Kalmar wurden zu Beginn des Jahrhunderts gefeiert, stellten im Künstlerhaus, der Secession oder im Hagenbund aus und lukrierten auch öffentliche Aufträge.

Das große Vergessen, das Verschwinden der Künstlerinnen aus Museen, Galerien und der Kunstgeschichte generell, setzte 1938 mit dem "Anschluss" ein. Nicht zuletzt war es ein Prozess des Ausradierens vieler jüdischer Künstlerinnenkarrieren – wie etwa jener von Friedl Dicker-Brandeis, die 1944 in Auschwitz ermordet wurde. Andere wurden durch den eingebrochenen Kunstmarkt ins Exil gezwungen und konnten nie wieder eine Karriere aufbauen. Nur wenigen gelang es, nach ihrer Emigration wieder Fuß zu fassen.

Als die Kunstgeschichtsschreibung nach dem Krieg wiederaufgenommen wurde, war vieles verloren. Neben unbewusster Geringschätzung war es aber auch mutwillig, die Bedeutung von Frauen in der Wiener Moderne zu leugnen. Es war einfacher, auf die Heroen Klimt, Schiele, Kokoschka und Hoffmann zu blicken.

Überraschendes Feuerwerk

Nicht besonders zimperlich war 1986 etwa der Kurator des New Yorker Museum of Modern Art, Kirk Varnedoe. Bei der Übernahme der Blockbuster-Schau Wien 1900 – Traum und Wirklichkeit hatte er alle Künstlerinnen aus der Ausstellung getilgt. Er erklärte, die Mission des Hauses sei, die Geschichte der modernen Kunst zu erzählen, und die sei eben ein Unterfangen weißer europäischer Männer gewesen: "Brutaler Fakt". Malerinnen, die seine männlichen Helden nicht übertrumpften, waren für den Ignoranten schlichtweg überflüssig.

Geschwiegen wurde über diese Künstlerinnen viel zu lange. Erst in den letzten Jahrzehnten setzte die Forschung zu ihren Biografien und verschollenen Werken ein (wichtige Fundamente legten die Publikationen von Sabine Plakolm-Forsthuber 1994 und Julie M. Johnson 2012). Der breiten Masse sind viele der Namen allerdings bis heute unbekannt. Wie ein überraschendes Feuerwerk wirkt daher die Ausstellung Stadt der Frauen im Belvedere, in der Kuratorin Sabine Fellner über viele Säle hinweg das Schaffen von 56 Künstlerinnen ausbreitet. Schnell ist klar, dass weder "Hausfrauen" noch "Dilettantinnen" am Werk waren.

Elena Luksch-Makowsky: "Adolescentia" (1903).
Foto: Belvedere

Fulminant ist bereits der Auftakt mit der lebensgroßen Figur einer Hexe, die sich mit einer Gartenschere ihre Zehennägel manikürt. Eine provokante Arbeit, geschaffen von Teresa Feodorowna Ries. Sie war ein Phänomen, ist sie doch zu einer Zeit in die Männerdomäne Bildhauerei eingedrungen, als Frauen in Wien nicht einmal an den Kunstakademien zugelassen waren. Hauptargument war stets das Aktstudium: Mit Nacktheit konfrontiert zu sein galt für eine Frau als unschicklich.

Als die Hexe 1896 im Künstlerhaus zu sehen war, sorgte das für einen Eklat: Edler Marmor und dann diese Fratze? Dem Kaiser soll die Figur jedoch gefallen haben, und so machte Ries ihren Weg. Manchem wurde sie sogar zu erfolgreich: "Zu viel Feodorowna Ries! Es geht ein Föhn der Reklame durch den Wiener Blätterwald", erzürnte sich Karl Kraus 1905 in der Fackel.

Frauen waren also sehr präsent. Allerdings wurden ihnen nicht von allen die Türen so aufgehalten wie von den Secessionisten Gustav Klimt, Egon Schiele, Josef Hoffmann oder Koloman Moser. Die Künstlervereinigung Hagenbund fürchtete, mit der Aufnahme von Emilie Mediz-Pelikan ein Exempel zu statuieren: "Einige der in Wien lebenden Frauenmaler [sic!] hätten uns keine Ruhe gelassen".

Teil des Vorwortes des Katalogs zur Ausstellung "Kunst der Frau", Secession 1910.

Frauen fanden Mittel und Wege, dennoch auszustellen, etwa indem sie eigene Vereinigungen wie die "Acht Künstlerinnen" gründeten. Legendär ist die Ausstellung, die die VBKÖ, die Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs, 1910 in der Secession zeigte: Die Kunst der Frau gab zum allerersten Mal überhaupt einen repräsentativen internationalen Überblick (mehr als 300 Werke) über die Leistungen von Frauen vom Barock bis in die Gegenwart.

Historisches Vakuum

Als 66 Jahre später in Los Angeles die Schau Women Artists: 1550–1950 eröffnet wurde, galt das als bahnbrechend. Die Organisatorinnen Linda Nochlin und Ann Sutherland hatten sogar das Gefühl, in einem historischen Vakuum zu recherchieren. Das kulturelle Gedächtnis war ausgelöscht.

Abgesehen davon ist es immer auch eine Frage des Timings. In Zeiten von #MeToo und dem wachsenden Interesse an weiblichen Kunstschaffenden genießt Stadt der Frauen sicher Rückenwind. Kuratorin Sabine Fellner, die schon beinahe 30 Jahre zum Thema arbeitet, kuratierte 1998 etwa die Ausstellung Enthüllt über 100 Jahre Aktdarstellungen österreichischer Künstlerinnen. Passenderweise fand die damals im ehemaligen Frauenbad in Baden (heute das Rainer-Museum) statt. Wesentlich mehr Aufmerksamkeit generierte allerdings ein Jahr später die bemerkenswerte Schau Jahrhundert der Frauen 1999 im Wiener Kunstforum, die den Bogen bis in die Gegenwart schlug. Aber das ist schon 20 Jahre her.

Es war kein Traum: Künstlerinnen waren in der Wiener Moderne sehr präsent. Vergessen hat ihre Leistungen erst später. (Helene Funke, "Träume", 1913).
Foto: Johannes Stoll, Belvedere

Klaus Albrecht Schröder, damals Kunstforum-Chef, schrieb angesichts der Widerstände, denen die Künstlerinnen trotzten: "Das macht hellhörig für das Potenzial an weiblicher Durchsetzungsstrategie dieser im mehrfachen Sinn des Wortes ins Korsett geschnürten Frauengeneration."

In diesem Sinne: Schauen Sie sich das an! (Anne Katrin Feßler, 24.1.2019)