Eva und Nikolaus haben sich dafür entschieden, ihre beiden schulpflichtigen Kinder in eine private Schule ohne Öffentlichkeitsrecht zu geben. Die beiden Mädchen fühlen sich dort sehr wohl und genießen es, in einer kleinen Klasse unterrichtet zu werden. Was beide aber nicht besonders mögen, ist, am Jahresende zur Leistungsüberprüfung in eine fremde Schule gehen zu müssen.

Jennifer, 14, geht das letzte Jahr in eine staatliche Schule und macht gerade ihr achtes Schuljahr. Schon in den Sommerferien vor der vierten Klasse NMS hat ihre Mama mit ihr ein intensives Gespräch darüber geführt, wie wichtig die Semesternachricht für ihren weiteren schulischen Werdegang sein wird. Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler haben das gleiche Problem, und die Lehrer versuchen durch angekündigte Tests und gut vorbereitete Schularbeiten allen gute Noten zu ermöglichen.

Der sechsjährige Moritz und sein Zwillingsbruder Julius sind heuer in die erste Klasse einer staatlichen Volksschule gekommen. Beide Buben gehen gerne in die Schule. Sie bekommen jetzt bald ihr erstes "Zeugnis" und sind schon ganz aufgeregt, was die Lehrerin über sie hineinschreiben wird. Die Eltern der beiden versuchen nicht so viel Wert auf die Schulnachricht zu legen, jedoch erwischen sie sich dabei, dass sie das Können der beiden Buben oft miteinander vergleichen.

Zeugniszeit ist in vielen Familien eine sehr stressige Zeit.
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Zeugniszeit

In allen staatlichen und vielen privaten Schulen mit Öffentlichkeitsrecht werden bald die Semesternachrichten übergeben. Während die Kleinen zum ersten Mal so ein offizielles Papier bekommen, ist es für die größeren Kinder und Jugendlichen extrem wichtig, gute Noten zu haben, um in einer weiterführenden Schule aufgenommen oder zur Aufnahmeprüfung zugelassen zu werden. Denn mit diesem "Zeugnis" geht die Anmeldung für das nächste Schuljahr los. Auch für die Lehrstellensuche sind die Noten in dieser Schulnachricht wichtig.

War es bisher möglich, mittels Schulgemeinschaftsentscheidung die verbale Beurteilung bis in die dritte Klasse Volksschule zu ermöglichen, hat sich die Regierung für die Wiedereinführung des Notenzeugnisses ab Ende der zweiten Klasse Volksschule entschieden. In der Neuen Mittelschule wird in diesem Schuljahr in den Hauptgegenständen noch zusätzlich zwischen "vertiefend" und "grundlegend" unterschieden. Ab dem kommenden Schuljahr verändert sich auch hier einiges.

Zurück zum Ursprung

Die geplante Reform der Bundesregierung sieht eine Rückkehr der Ziffernnoten vor. Auch bisher war es theoretisch möglich, die Kinder von Beginn an mit Noten zu beurteilen. Doch in fast allen Schulen haben die Eltern und Lehrer für eine verbale Beurteilung plädiert. Denn die Praxis zeigte, dass eine Benotung in fast allen staatlichen Volksschulen nicht mehr zeitgemäß erschien. So bekamen die meisten Volksschüler Noten verpflichtend erst ab der vierten Schulstufe.

Jetzt sieht die Reform die Notenwahrheit ab der ersten Klasse Volksschule für alle Kinder vor. So soll die Notenskala zwischen Sehr gut und Nicht genügend liegen. Es ist angedacht, dass die Lehrenden zusätzlich eine schriftliche Erläuterung mittels standardisiertem Bewertungsraster verfassen und zudem in einem Kind-Eltern-Lehrer-Gespräch die Leistungsstärken der Schülerin oder des Schülers erörtern.

Es geht um den sichtbaren Vergleich

Der Bundesregierung ist es wichtig, dass die Leistungen der Kinder und Jugendlichen besser vergleichbar und damit auch sichtbarer gemacht werden. Während eine verbale Beurteilung viel genauere Möglichkeiten und eine ausführlichere Beschreibung der Leistungen des Kindes zulässt, sollen Noten eine bessere Vergleichsmöglichkeit schaffen.

Semesternachricht und Zeugnis sind also dafür ausgelegt, dass alle Kinder und Jugendlichen nach ihren Leistungen beurteilt werden. Dies aber sagt vermutlich nicht immer etwas über die tatsächlichen Möglichkeiten und Leistungen jedes Einzelnen aus. So sind bestimmte vorgegebene Ziele zu erreichen, und anhand dieser wird beurteilt, ob das Mädchen oder der Bub diese erreicht hat oder noch etwas Zeit oder Unterstützung braucht.

Genau genommen sagen Schulnachricht und Zeugnis seit jeher aus, wie gut ein Kind zumeist punktuell – für einen Test, eine Schularbeit oder eine Prüfung – die gewünschte Leistung erbringen kann. Wie gut das Erlernte langfristig gespeichert und wieder abrufbar ist, darüber geben die Bewertungen keinerlei Auskunft.

Der Stress der Eltern

Die Idee, dass man alle Kinder miteinander vergleichen kann, mag verlockend klingen, ist aber nicht realistisch. Noten sagen nichts darüber aus, ob es einem Kind, einem Jugendlichen leichtfällt zu lernen, wie viel Zeit und Aufwand für eine Leistung investiert wurde.

So schaffen manche Kinder diese Leistungen offenbar mühelos und ohne Unterstützung der Eltern. Andere wiederum benötigen viel Aufmerksamkeit und Hilfe von außen, um die schulischen Anforderungen zu erfüllen. Sie plagen sich, haben Stress und müssen ihre ganze Energie investieren. Das ist auch mit emotionalem und finanziellem Aufwand verbunden, wenn der Nachwuchs aus welchen Gründen auch immer den Anforderungen der Schule nicht gerecht werden kann.

Das hat auch Einfluss auf die Familie: So passiert es, dass Eltern viel Druck auf das Kind ausüben, damit es die Prüfung oder gar die Schulstufe schafft.

Ihre Erfahrungen?

Wie sehen Sie die Beurteilung der schulischen Leistungen Ihrer Kinder? Welche Form der Leistungsbeurteilung bevorzugen Sie? Empfinden Sie Benotung als gerecht? Posten Sie Ihre Erfahrungen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 25.1.2019)