Wien – Die Neos haben gegen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) einen Misstrauensantrag angekündigt. Grund hierfür sind dessen Aussagen zum Rechtsstaat, erklärte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger am Donnerstag. Empört zeigte sie sich auch über die "Relativierungsversuche" seitens der Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ).

"Wir werden einen Misstrauensantrag einbringen", der Zeitpunkt hierfür steht noch nicht ganz fest, "im Idealfall wollen wir das nächste Woche auf den Weg bringen", so Meinl-Reisinger. Der Innenminister hatte im ORF-Report angekündigt, Grundregeln wie die Menschenrechtskonvention hinterfragen zu wollen. Auch erklärte er: "Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht." Die SPÖ will das Vorgehen der Neos unterstützen. Der kritisierte Minister versteht die Aufregung nicht. Am Rande einer Pressekonferenz bekannte er sich zu 100 Prozent zum Legalitätsprinzip, verwies aber darauf, dass Gesetze eben von der Politik gemacht und von der Justiz vollzogen werden. Auch bezüglich seiner umstrittenen Aussagen zur Menschenrechtskonvention hielt der Innenminister allgemein fest, dass ja auch Gesetze immer wieder überprüft und allenfalls novelliert würden.

Lob für Kickls Widersacher Moser

"Ich fand das unfassbar. Es offenbart, dass er keine Achtung vor der österreichischen Bundesverfassung hat. Auch die Relativierungsversuche empören mich", stellte die Neos-Chefin fest. Lediglich Justizminister Josef Moser (ÖVP) habe Kickls Aussagen zurückgewiesen, hob sie hervor. Nicht Kickl als Minister mache die Gesetze, sondern habe sich an diese zu halten: "Dieser schlamperte Umgang mit der Verfassung muss einmal ein Ende haben", forderte sie daher. In ganz Europa gebe es derzeit einen Kampf zwischen einem autoritären Politikverständnis und der liberal demokratischen Grundordnung: "Es braucht eine klare Haltung."

"Gefahr für die Demokratie" ortet auch Rektorin Eva Blimlinger, Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko): "Selbstverständlich hat sich die Politik dem Recht unterzuordnen, das ist das Fundament der österreichischen Bundesverfassung und das wird auch an den österreichischen Universitäten gelehrt und darf keinesfalls in Zweifel gezogen werden", erklärte Blimlinger in einer Aussendung.

Seitens der FPÖ rückten indes Donnerstagfrüh weitere Vertreter zu Kickls Verteidigung aus. Generalsekretär Christian Hafenecker etwa betonte in einer Aussendung, der Innenminister handle im Auftrag des Wählers und nicht auf Zuruf der Opposition. Auch Verteidigungsminister Mario Kunasek konnte die Aufregung nicht nachvollziehen: "Dass Gesetze nun einmal im Parlament mit demokratischen Mehrheiten beschlossen werden, müssen auch jene linken Fantasten akzeptieren, die den Kurs der Bundesregierung nicht mittragen."

Namhafte Juristen kritisieren Kickl

Namhafte Juristen kritisierten bei einer Pressekonferenz der "Plattform Rechtsstaat" Kickls Aussage. "Ich finde es unerträglich, wenn die Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention infrage gestellt werden. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig", meinte der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Michael Enzinger.

Für Friedrich Forsthuber, Obmann der Fachgruppe Strafrecht in der Richtervereinigung, hat Kickl am "Wertegerüst unserer Rechtsordnung" gerüttelt: "Die Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaates sind klar definiert. Es gibt keine Demokratie light, keine Menschenrechte light." Der Innenminister habe offenbar "ausgelotet, was in einem gewachsenen demokratischen Rechtsstaat an Äußerungen der Bevölkerung zumutbar ist". Das verankerte Verständnis von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat müsse vor allem auch seitens der Zivilgesellschaft verteidigt werden, gab Forsthuber zu bedenken: "Ich klage an, wenn Äußerungen getätigt werden, wie dass das Recht der Politik zu folgen hat."

"Rote Linie überschritten"

Sowohl Forsthuber als auch Enzinger zeigten sich verwundert, dass die Aussagen Kickls keinen breiteren Aufschrei zur Folge hatten. "Damit wurde eine rote Linie überschritten. Da ist die Politik und die Zivilgesellschaft dazu aufgerufen, das klar zu stellen", appellierte Forsthuber. Der demokratische Rechtsstaat sei "nicht vom Himmel gefallen", bekräftigte Enzinger. Insofern hätte er sich nach Kickls Auftritt "erhofft, dass dazu klarere Meldungen von der Politik kommen."

"Der Rechtsstaat in Österreich ist in Gefahr", bemerkte der Präsident des Österreichischen Journalisten Club (ÖJC), Fred Turnheim. "Es wird nötig sein, dass der Bundeskanzler eine Maßnahme gegen seinen Innenminister setzt, um das Rechtsstaatsgefühl in Österreich zu erhalten", sagte Turnheim. (APA, 24.1.2019)