Zwei Baumfroscharten, die ohne genetische Untersuchungen nicht zu unterscheiden sind. Beide Spezies sind Überträger des Chytridpilzes, der weltweit Amphibien gefährdet.

Foto: James Harding

Invasive Arten können lange Zeit unentdeckt bleiben, ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt werden dann erst mit Verzögerung sichtbar. Beispiele für dieses "crypticity" genannte Phänomen und Empfehlungen, wie man damit umgehen sollte, hat ein Forscherteam um Franz Essl von der Universität Wien im Fachjournal "Trends in Ecology and Evolution" zusammengefasst.

Ein klarer Fall von "crypticity" sind den Wissenschaftern zufolge etwa die Folgen der Einschleppung der Mittelmeer-Miesmuschel nach Südafrika in den 1970er Jahren. Sie breitete sich rasch mit über 100 Kilometer pro Jahr entlang der Küsten aus. Erst in den 1990er Jahren bemerkte man, dass sie sich an den Augenstielen und Mundöffnungen einer Krabbenart (Ovalipes trimaculatus) festsetzt. "Dies führte zu einer hohen Mortalität der Krabben, die nicht vorhersehbar war", sagte Essl.

Ein Pilz, zwei Pilze

Neben solchen Effekten, die erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auftreten und daher überraschend sind, haben die Forscher eine weitere Kategorie kryptischer invasiver Arten klassifiziert. Essl: "Diese tritt auf, wenn Invasoren heimischen oder schon früher eingeschleppten Arten sehr ähneln, sodass man den Effekt der neu eingeschleppten Art nicht so leicht entdeckt."

Als Beispiel dafür nannte er einen bereits vor Jahrzehnten in Österreich eingeschleppten Pilz, der das Ulmensterben verursacht. Erst spät habe man bemerkt, dass es zwei Krankheitswellen gegeben hat. Jahrzehnte nach dem ersten Erreger sei ein neuer, nahe verwandter Erreger eingeschleppt worden, der aber deutlich aggressiver sei und ein höheres Ausmaß an Schäden bei Ulmen verursacht habe.

Unmögliche Vorbeugung

Kryptische unentdeckte Effekte könnten auch dort auftreten, "wo man sie nicht vermutet, etwa in entlegenen Regionen oder wenig untersuchten Ökosystemen oder Artengruppen. Das kann dazu führen, dass Effekte verspätet wahrgenommen werden", sagte Essl. In solchen Fällen sei es nicht mehr möglich, vorbeugende Maßnahmen treffen.

Der Biologe nennt das in Europa und Nordamerika beheimatete Schilf (Phragmites australis) als Beispiel für eine solche verspätete Erkenntnis. Es handelt sich auf beiden Kontinenten um dieselbe Art, allerdings mit geringen genetischen Unterschieden. Vor einigen Jahrzehnten sei europäisches Schilf nach Nordamerika eingeschleppt worden, das sich auf Kosten der nordamerikanischen Pflanzen massiv ausgebreitet habe, weil es bei gleichen Standortbedingungen im direkten Konkurrenzkampf überlegen ist. "Das Phänomen konnte man nur aufgrund genetischer Analysen identifizieren", sagte Essl.

Bewusstsein schaffen

Die Wissenschafter sehen in der "crypticity" eine bisher wenig berücksichtigte Herausforderung für den Umgang mit invasiven Arten. Deshalb wollten sie in ihrer Arbeit die versteckten Effekte und die Mechanismen dahinter klassifizieren und mit Fallbeispielen illustrieren, "um solche verzögerten Effekte besser vorwegnehmen zu können". Wenn man die Grundmechanismen besser verstehe, habe man größere Chancen, vorbeugend tätig zu werden, etwa im Management oder bei Maßnahmen wie Quarantäne, so Essl.

Für den Biologen hat das Phänomen aber eine über invasive Arten hinausreichende Bedeutung. Viele Prozesse, die der Mensch durch den massiven globalen Wandel ausgelöst habe, hätten Konsequenzen – manche davon gut, manche schlecht vorhersagbar. "In diesem russischen Roulette, das wir mit dem Umweltwandel betreiben, ist es beunruhigend, wenn ein Teil der Phänomene lange Zeit unbemerkt bleiben. Wenn man manche Dinge, die man anstößt, lange nicht sieht, unterstreicht das die Bedeutung, die natürliche Umwelt zu erhalten." (red, APA, 25.1.2019)