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Ob die Freude auf einen freien, sonnigen Karfreitag für alle lange hält, ist noch fraglich.

Foto: dpa/Marcus Brandt

Die österreichische Karfreitagsregelung verstößt gegen EU-Recht. So entschied es der Europäische Gerichtshof diese Woche. Bislang war der Karfreitag nur für Angehörige bestimmter christlicher Kirchen ein bezahlter Feiertag. Die Regierung muss nun eine neue Feiertagsregelung treffen, die die Gleichbehandlung wiederherstellt. Bis dahin heißt es: Private Arbeitgeber müssen allen Arbeitnehmern entweder einen Feiertag am Karfreitag gewähren oder zusätzliches Feiertagsentgelt bezahlen.

Ausgangspunkt für das EuGH-Urteil war die Klage eines Arbeitnehmers, der keiner der christlichen Kirchen angehörte, dementsprechend kein Feiertagsentgelt für seine Arbeit am Karfreitag erhielt und sich diskriminiert fühlte.

Der EuGH bestätigte nun das Vorliegen einer nicht gerechtfertigten Diskriminierung. Überraschenderweise und entgegen dem Vorschlag des Generalanwalts entschied der EuGH jedoch, dass die nationale Rechtsvorschrift vorerst aufrecht bleibt, solange der Gesetzgeber keine diskriminierungsfreie Rechtslage geschaffen hat. Arbeitgeber müssen daher vorerst jedem Arbeitnehmer am Karfreitag einen bezahlten Feiertag gewähren bzw. bei Arbeitstätigkeit ein doppeltes Gehalt bezahlen – so lange, bis der österreichische Gesetzgeber die Rechtslage ändert.

Eine Holschuld?

Dieser steht vor dem überaus sensiblen Problem, eine seit über 60 Jahren bestehende Kompromisslösung reparieren zu müssen: Mit dem Feiertagsruhegesetz 1957 wurde der "katholische" Feiertag am 8. 12. (Mariä Empfängnis) wieder eingeführt. Als Ausgleich dafür erhielten die Angehörigen der Evangelischen Kirche AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche einen Feiertag am Karfreitag. Bereits vor dem EuGH-Urteil wurde nach Lösungen gesucht, sollte ein "Feiertag für alle" kommen, um einen solchen Ausgleich wiederherzustellen (etwa durch Abschaffung des Pfingstmontags als Feiertag, der nicht im Konkordat mit dem Vatikan steht).

Ein weiteres spannendes Detail für die Praxis ist die Ansicht des EuGH, dass Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ihren Wunsch, am Karfreitag nicht zu arbeiten, vorab mitzuteilen haben. Bereits in diesem Punkt wirft die Argumentation des EuGH einige Fragen auf und lässt Interpretationsspielraum offen. Der Entscheidungswortlaut spricht für eine Art "Holschuld" des Arbeitnehmers, der sein Recht auf einen freien Karfreitag proaktiv geltend machen muss – ein Novum in Österreich. Wie dies künftig in der Praxis gelebt und umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Zusätzlich stellen sich hier auch datenschutzrechtliche Fragen: Aus dem Wunsch auf Inanspruchnahme des freien Karfreitags lässt sich eine bestimmte Religionszugehörigkeit ableiten. Diesbezügliche Informationen sind jedoch sensible Daten im Sinne der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Ihre Erfassung und Verarbeitung im Unternehmen unterliegt strengen Vorgaben und Beschränkungen.

Wie viel Spielraum?

Unklar bleibt auch, wann und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber das Ansuchen der Arbeitnehmer auf Nichtbeschäftigung am Karfreitag ablehnen und sich "freikaufen" kann. Die bisherige nationale Regelung erlaubt eine Ablehnung durch den Arbeitgeber grundsätzlich nur in gesetzlich eng umschriebenen Ausnahmefällen; ansonsten gilt an Feiertagen ein Beschäftigungsverbot. Der EuGH äußert sich in seinem Urteil nicht dazu, inwiefern die bestehenden Regelungen weiterhin Anwendung finden können bzw. müssen. Ein Feiertag "à la carte", bei dem unklar ist, wer das finale Bestimmungsrecht hat, ist den österreichischen Feiertagsbestimmungen in dieser Form unbekannt.

Die Auswirkung auf bestehende Pauschal- oder All-in-Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern stellt eine weitere praxisrelevante Frage dar. In einer All-in-Vereinbarung wird in der Regel vertraglich festgelegt, dass mit der vereinbarten Überzahlung über dem kollektivvertraglichen Grundgehalt alle Mehr- und Überstunden abgegolten sind. Auch die Abgeltung des Feiertagsentgelts kann durch die Überzahlung vereinbart sein. In einem solchen Fall dürfte eine Beschäftigung am Karfreitag grundsätzlich keine zusätzlichen Kosten für den Arbeitgeber verursachen. Im Einzelfall wird aber zu prüfen sein, ob eine allfällige Arbeitsleistung am Karfreitag durch die vereinbarte, pauschale Vergütung abgegolten oder gesondert zu vergüten ist.

Die Zeit drängt

Die EuGH-Entscheidung sorgt derzeit sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite für Unsicherheiten und ruft unterschiedliche Lösungsvorschläge hervor. Diese werden umso dringlicher, als das EuGH-Urteil nur knapp drei Monate vor dem nächsten Karfreitag veröffentlicht wurde. Zu betonen ist, dass die derzeitige Rechtslage vorübergehend ist. Sobald der Gesetzgeber eine neue Regelung in Kraft setzt, die dem Unionsrecht entspricht, könnte auch eine für die Arbeitnehmer ungünstigere Regelung umgesetzt werden. Das Urteil des EuGH sieht schließlich nicht vor, dass künftig ein verbindlicher Rechtsanspruch aller Arbeitnehmer auf einen (bezahlten) Feiertag bestehen muss, sondern lediglich, dass die bestehenden Regelungen nicht nach der Angehörigkeit zu bestimmten Kirchen differenzieren dürfen. Denkbar wäre demnach durchaus, dass der Gesetzgeber die vorhandene Karfreitagsregelung gänzlich aufhebt und damit die Freude über den freien Karfreitag nur von kurzer Dauer ist. (30.1.2019)