"Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Die Presse darf weder unter Censur gestellt, noch durch das Concessions-System beschränkt werden."

In der Formulierung des Artikels 13 des österreichischen Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21. Dezember 1867, das 1918 Teil des Verfassungsrechts geworden ist, fehlt etwas Entscheidendes: die Informationsfreiheit. Meinungsäußerungsfreiheit und Presse- beziehungsweise Medienfreiheit einerseits und Informationsfreiheit andererseits sind zwei Seiten ein und derselben Medaille: die Informationsfreiheit sichert den Zugang zu den Informationen, die für die Bildung einer Meinung essentiell sind. Und: Ohne umfassenden Zugang zu Informationen können Journalistinnen und Journalisten ihre Kontrollaufgaben gegenüber Politik und Verwaltung nicht wahrnehmen.

Dieses Manko wird nur durch die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ausgeglichen, die 1958 von Österreich ratifiziert wurde und 1964 mit Verfassungsrang ausgestattet worden ist. Dort heißt es in Artikel 10(1):

"Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein."

Innenministerium rüttelt an der Demokratie

Es passt jedenfalls zusammen, dass in einem Ministerium, das anregt, die Kommunikation mit "gewissen Medien" auf das nötigste Maß zu beschränken, rechtliche Konstruktionen "aus den 50er Jahren" in Frage gestellt werden. Natürlich wurden in der Menschenrechtskonvention immer wieder Zuständigkeiten und Verfahrensregeln geändert, der Katalog der Rechte und Freiheiten ist jedoch nie beschnitten, sondern stets nur erweitert worden. Denn: Wann und wo immer begonnen wird, die nach den Schrecken des Nationalsozialismus und des von Hitler entfachten Zweiten Weltkriegs festgeschriebenen Menschenrechte und Grundfreiheiten aufzuweichen, ist letztlich die Basis unseres demokratischen Zusammenlebens gefährdet – sei es beim Recht auf ein faires Verfahren oder bei der Informationsfreiheit.

Innenminister Herbert Kickl stellte am Dienstag die Europäische Menschenrechtskonvention und das rechtsstaatliche Prinzip infrage.
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So wird die in Artikel 20 der Verfassung vorgesehene Auskunftspflicht aller mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe und aller anderen Organe von Körperschaften des öffentlichen Rechts dadurch aufgeweicht, dass sie deren "Verschwiegenheitspflicht" untergeordnet ist. Eine Auskunftspflicht mit der Option behördliche Auskünfte ohne Begründung zu verweigern und gegen diese Auskunftsverweigerung nur unter Inkaufnahme einiger Erschwernisse berufen zu können, ist ein Etikettenschwindel. Sie erschwert es, wie der Europarat schon 2008 feststellte, "Bürgern und den Medien, Kontrolle über die Verwaltung auszuüben".

Sinkendes Vertrauen

Die Folgen sind doppelt katastrophal. Wenn nicht so sehr Daten und Akten, sondern Tweets, Facebook-Posts und in durchgestylten Pressekonferenzen gegebene Wortspenden politischer Akteure zu journalistischen Quellen werden, steigt auf der einen Seite Korrumpierbarkeit und Klientelpolitik und sinkt andererseits die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Wie die deutsche Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, feststellte, leistet ein nicht umfassend realisiertes Prinzip Öffentlichkeit der Entstehung und Verbreitung von Verdächtigungen und Verschwörungstheorien Vorschub. Das damit sinkende Vertrauen in die führenden demokratischen Vertretungsorganisationen ebenso wie in die Medien ist schließlich der Nährboden, auf dem scheinbar elitenkritische "postfaktische" Botschaften mit ihren vereinfachenden und damit immer falschen und polarisierenden populistischen Problemerklärungen und -lösungen Aufmerksamkeit und Publikum bekommen können.

Platz 122 von 123

Für den vor einigen Wochen veröffentlichten Österreich-Report des Media Pluralism Monitor der Europäischen Union ist es vor allem die fehlende rechtliche Ausgestaltung der Informationsfreiheit, die im Bereich der regulatorischen Rahmenbedingungen das Bedrohungsrisiko für eine plurale Medienlandschaft auf fast 30 Prozent anschwellen lässt; in allen anderen Bereichen (Marktvielfalt, politische Unabhängigkeit und gesellschaftliche Inklusion) liegt es noch viel höher – und weitaus höher als in den meisten westeuropäischen Staaten. Weltweite, detaillierte Vergleiche der Verfasstheit des Rechts auf Information durch die beiden NGOs "Access Info Europe" und "Centre for Law and Democracy" sehen Österreich auf Platz 122 von 123 untersuchten Ländern. Es wird Zeit für mehr Transparenz. (Josef Seethaler, 28.1.2019)