Rechts, links, rechts und dann links, rechts, links: Beim Thaiboxen lerne ich, welche Schlagkombinationen in welcher Situation günstig sind.

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Karin Pollack beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Sie hat Thaiboxen ausprobiert und drischt mit Boxhandschuhen und Füßen auf Polster ein.

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An sich bin ich ein äußerst friedliebender Mensch. Ich mag gute Stimmung, setze bei Auseinandersetzungen auf Worte und bin damit auch in der Erziehung meines Sohnes sehr gut gefahren. Er hat keine einzige Ohrfeige bekommen.

Schlagen: Das ist also wirklich nicht meine Domäne. Meine Sportarten: Yoga, Rückenübungen und manchmal ein bisschen Wandern. Dass ich also eines Tages Boxen ausprobieren würde, habe ich selbst nicht gedacht. Also wirklich nicht.

Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Als der Kurs zum Schattenboxen nicht zustande kam und mein Neujahrsvorsatz, sportlich einmal etwas ganz Neues auszuprobieren, wankte, habe ich mich zum Thaiboxen überreden lassen. – Und war beim ersten Mal ziemlich aufgeregt.

Froh war ich, dass es auch viele Frauen im Kurs gab. Das Thaiboxen folgt immer einem genauen Schema. Zuerst aufwärmen, dann Zweiergruppe bilden und Schlagübungen machen. Im Kurs gibt es nicht nur Männer, sondern auch viele, sehr junge Frauen. "Hau einfach drauf", sagt meine Kollegin aufmunternd und lacht ein bisschen, als ich den Polster am Anfang nicht einmal treffe. "Das ist mir auch so gegangen", sagt sie, "man muss erst einmal lernen, wie lange die eigenen Arme sind."

Gewalt abwehren

Dass ich das nicht weiß, ist für mich selbst erschreckend. Ich stelle mir vor, dass ich vielleicht einmal selbst angegriffen werde – Geschichten über Gewalt gegen Frauen gab es in den letzten Wochen schließlich genug – und gar nicht wüsste, wie genau ich mich zu verhalten hätte – etwa um einen Schlag abzuwehren, auszuweichen, sich zu ducken oder eben zuzuschlagen. Beim Thaiboxen lernt der Körper solche Dinge, und zwar sehr intuitiv.

Ich weiß also, dass ich als Rechtshänderin immer eher mit dem linken Beine vorne stehe, wenn ich zuschlagen müsste. Ich lerne zu schlagen und mich gleichzeitig zu verteidigen – und ich lerne, wie es sich anfühlt, wenn man auf mich eindrischt.

Erstaunlicherweise ist dieses Einen-Schlag-mit-dem-Polster-Abfangen extrem anstrengend, im Sinne von schweißtreibend – vielleicht ist da auch ein bisschen Angst dabei. Beim Thaiboxen geht es zudem stark um Rechts-links-Kombinationen, es ist fast wie eine Tanzchoreografie, die es einzustudieren gilt. Für mich ist es auch Kopfarbeit, ich habe eine Rechts-links-Schwäche, vielleicht wird die sogar wegtrainiert.

Am Ende ohne Probleme

Jedenfalls ist es anstrengend, auf eine mir völlig unbekannte Weise. Ich habe festgestellt: Ich schlage auch gerne, besonders mit den Beinen. Wenn ich gut treffe, macht das Polster auch ein dumpfes, gutes Geräusch, finde ich – und nach eineinhalb Stunden ist die Welt dann vollkommen in Ordnung.

Auch deshalb, weil ich die Leihhandschuhe, die es im Kurs gibt, wieder ausziehen kann. Sie stinken bestialisch. Ich werde mir also eigene Boxhandschuhe anschaffen, vielleicht solche wie meine Kollegin, die sie in Rosa hat. Übrigens: Die letzte, die ich geschlagen habe, war meine Schwester – es ist Jahrzehnte her, sie hat es vergessen. (Karin Pollack, 27.1.2019)