Alles steht still: Hoch über dem Priestervolk gilt es für Tharsis (Fatma Said) und Thamos (Nutthaporn Thammathi) nach der Prüfung der Herzen, zum gütigen Herrscherpaar zu werden.

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Im Vergleich zum Maschinenkrachballett, das 2018 als Klangwolke das Linzer Donauufer durchrüttelte, war das nun bei der Mozartwoche ein zierliches Kammerspiel. Wer in der Felsenreitschule dabei war, dürfte die Arbeit von Regisseur Carlus Padrissa und seinen akrobatischen Theaterkollegen von Fura dels Baus dennoch nicht als diskret empfunden haben. Es kracht bei T.h.a.m.o.s. zwar nur einmal flammenverziert, als ginge es darum, Schmerzgrenzen auszuloten und den Geruchssinn an das Phänomen verbrannter Toasts zu erinnern. Die Fülle an Tanz, Video-, Licht-, Krabbel- und Flugkünsten hätte jedoch eine Freiluftaufführung optisch durchaus gesättigt.

Der bombastische Mix umgarnt eine Neukonstruktion: Mozarts Musik zum Theaterstück Thamos, König in Ägypten wurde zum gedanklich wolkigen Befreiungstheater ausgeweitet, dem nicht nur emphatisch globalisierungskritische Texte unter die Arme greifen sollen. Es hilft auch die Zauberflöte:Menes, der im Verborgenen weilende Herrscher, der die Macht an Thamos übergeben wird, ist plötzlich Sarastro (singt In diesen heil'gen Hallen).

Die liebliche Tharsis wiederum wird zu Pamina, die Ach, ich fühl's haucht. In Thamos findet sie folgerichtig ihren Tamino, mit dem sie eine Vertrauensprüfung zu bestehen hat. Schließlich jubelt auch die Priesterschaft, also der sehr gute Salzburger Bachchor, zauberflötenhaft O Isis und Osiris, welche Wonne.

Achtung! Die Geschichte von Macht und Intrige zu Zeiten der Pharaonen wird in eine ferne Zukunft gebeamt: Es heißt, eine Pyramide sei ausgegraben worden, die über Tunnel mit architektonischen Verwandten verbunden sei, die in Thailand, Mexiko und Europa (Matterhorn) lägen. In diesem seltsamen, verwobenen Universum bastelt der zukünftige Herrscher Thamos an Neuheiten: Er versteht sich als Erfinder und präsentiert die MMM-Maschine! Sie absorbiere Energie und wandle selbige "in Lebenskunst um", die den Bürgern geschenkt werde.

Von Flugkünsten

Dazwischen muss einiges durchgestanden werden, aber alles wird gut. Die Menschen beginnen zu fliegen, vier Fura-Artisten schweben schließlich über dem Orchestergraben, in dem die Camerata Salzburg und die Dirigentin Alondra de la Parra das Mozart-Potpourri kultiviert umsetzen.

Es ist nicht dies Seltsame der wirren Geschichte, das zum wahren Nachteil wird. Wirklich bedauerlich ist, dass alles Oberflächenglanz und Stückwerk bleibt. Padrissa kann durch grelle Spektakelkünste nicht verhüllen, dass T.h.a.m.o.s. zum Mosaik wurde, dessen Teile miteinander fremdeln, zum trägen Oratorium, an dem Artisten herumkrabbeln.

Auch Details strahlen Leere aus: Die Chorprozessionen sind so trostlos wie die Personenführung, der sich die guten Sänger unterwerfen. Der profunde René Pape, die delikate Fatma Said sowie der klangschön agierende Nutthaporn Thammathi wirken wie Darsteller, die in einer Science-Fiction-Messe die Holzfiguren eines Marionettentheaters imitieren sollen.

Da wirken sogar Teile des Bühnenbilds lebendiger – etwa das zentral postierte riesige Auge. Es vermag zum Dach zu mutieren, ebenso aber Säfte von sich zu geben, die vornehmlich Thamos abbekommt. Auch solche Ideen muten nur als belastende Fußfessel einer Inszenierung an, die sich in einem selbstgebastelten Kosmos aus Tanz, Luftchoreografie, Lichtpyramide und Trockeneisnebel verloren hat.

Eine exzentrische Besonderheit – algorithmisch erzeugte Musik – zeigt exemplarisch, wie wenig die Elemente miteinander verwoben wurden. Diese Klänge werden von Roboterinstrumenten interpretiert und reagieren angeblich auf das Publikum und die physische Konstitution der Sänger. Die Instrumente – sie heißen etwa Pollywogs – produzieren dezente Sounds, die nach altem Synthesizer oder Glasharmonika klingen. Eingesetzt wurden sie jedoch wie musikalische und optische Pausenclowns.

Schade. Dem Publikum allerdings hat auch das gefallen. Im kommenden Jahr bietet ihm der neue Intendant der Mozartwoche, Rolando Villazón, Altmeister Robert Wilson. Er soll Händels Messias in einer Bearbeitung von Mozart inszenieren. Das Oratorium müsste eigentlich runder gelingen als diese seltsame Kraut-und-Rüben-Effektshow. (Ljubisa Tosic, 25.1.2019)