In Bodenproben vom Kongsfjord auf Spitzbergen fanden sich resistente Gene, die erst 2008 in Indien entdeckt worden waren.
Superchilum

Sie gehören zu den größeren Gefahren für die Menschheit im 21. Jahrhundert: multiresistente Keime, die gegen gleich mehrere Antibiotikaklassen immun sind und die sich immer weiter ausbreiten. Laut einer aktuellen Statistik der WHO sterben jetzt schon rund 700.000 Menschen pro Jahr an solchen Superkeimen – und die Zahl steigt stark.

Zur Gefahr werden solche Keime vor allem in Krankenhäusern. Nur in Ansätzen erforscht ist die Frage, wo solche Keime beziehungsweise die Gene, die solche Resistenzen übertragen, sonst noch zu finden sind. Bisherige Studien zu dem Thema erhöhten die Besorgnis, denn Spuren der Superkeime oder diese selbst wurden nicht nur in Mensch und Tier, sondern auch in der Umwelt gefunden, in Böden ebenso wie in Meeressedimenten.

Globale Ausbreitung der Resistenzgene

Doch wie sehr sind die Gene der Superkeime auf die Nähe der menschlichen Zivilisation angewiesen? Eine neue Studie britischer Forscher um David Graham (Uni Newcastle) beantwortet die Frage mit "gar nicht". Für ihre Untersuchung werteten die Mikrobiologen 40 Bodenproben aus, die 2013 entlang des Kongsfjords im Nordwesten von Spitzbergen entnommen worden waren.

Von den Orten, an denen die Bodenproben genommen wurden, sind es nur noch 300 Kilometer bis zum Nordpol, aber weit mehr als 6.000 bis nach Neu-Delhi.
Grafik: Graham et al. 2019, Environment International

Zwar zählen die Polargebiete zu den letzten unberührten Ökosystemen der Erde. Und die Forscher hofften, dass sich in dieser Gegend noch Resistenzwerte wie vor der Ära der Antibiotika finden würden. Doch wie das Team um Graham im Fachblatt "Environment International" berichtet, konnte es eines der gefährlichsten Resistenzgene in arktischen Bodenproben auf Spitzbergen nachweisen.

Von Indien nach Spitzbergen

Konkret geht es um das Gen blaNDM-1, das Bakterien resistent gegenüber einer Reihe von Antibiotika macht – nicht zuletzt gegen die sogenannten Carbapeneme, die als eine der letzten Waffen gelten, die Mediziner noch zur Behandlung resistenter Keime zur Verfügung haben.

Erstaunlich ist dieser Fund aus einem weiteren Grund: Das Gen war erst 2008 in einem Krankenhaus in Neu-Delhi entdeckt worden, ehe es zwei Jahre später in Wasserproben der indischen Millionenstadt auftauchte. 2015 war es bereits nach Spitzbergen in der Arktis gelangt, mehr als 6.000 Kilometer von Neu-Delhi entfernt.

Newcastle University

Die Wissenschafter fanden in den arktischen Böden 131 verschiedene Resistenzgene, durchschnittlich 66 Genvarianten pro Probe. "Diese Gene verleihen Schutz gegen neun verschiedene Antibiotikaklassen, darunter die Aminoglykoside, die Macrolide und die Beta-Lactame, die zur Behandlung vieler Infektionen eingesetzt werden", so Graham.

Wer waren die "Überbringer"?

Doch wie kamen die gefährlichen Gene dorthin? Die Forscher um Graham vermuten zwei Verbreitungswege: Infrage kommen Zugvögel, die Resistenzgene über die Nahrung aufnehmen, über weite Strecken transportieren und über Kot wieder ausscheiden. Die andere Möglichkeit sind Wissenschafter, die in der Kings-Bay-Forschungsstation arbeiten, die nur rund 1.500 Meter vom Untersuchungsort entfernt liegt. Womöglich gelangten die Gene auf diese Weise in die Umwelt.

Die Forscher haben aber immerhin auch eine gute Botschaft, ganz gemäß dem Hölderlin-Vers "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch": Sie entdeckten nämlich in ihren Proben auch arktische Bodenbakterien, die vielversprechende Ansätze für neuartige Antibiotika bieten könnten. (tasch, 28.1.2019)