Menschliche Gedanken in Sprache zu übersetzen, davon sind wir wohl noch weit entfernt. Von ersten kleinen Schritten in diese Richtung berichten nun US-Wissenschafter.

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Gedanken aus dem menschlichen Gehirn auszulesen und in verständliche Informationen zu übersetzen, klingt auf den ersten Blick nach Science Fiction. In gewisser Weise ist dies im Tierversuch jedoch bereits geglückt. Wie Forscher des Institute of Science and Technology (IST) Austria im Fachblatt "Neuron" im vergangenen November berichteten, war es bei Ratten gelungen, anhand von neuronalen Signalen das Verhalten der Nager vorherzusagen. Einen bedeutenden Schritt weiter will nun ein US-Team gegangen sein: Die Wissenschafter konnten Signale aus dem Hörzentrum des Gehirns, die sich aus dem bewussten Hören von Gesprochenem ergaben, in Sprache zurück übertragen.

"Wir fanden heraus, dass Menschen diese Klänge zu 75 Prozent verstehen und wiederholen konnten, was weit über alle vorherigen Versuche hinausgeht", erklärte Studienleiter Nima Mesgarani von der Columbia University in New York City. Die Forscher kombinierten ein Spracherzeugungssystems, einen sogenannten Vocoder, mit einem tiefen künstlichen neuronalen Netzwerk, um die Hirnsignale in gesprochene Sprache übertragen zu können. Beteiligt an der im Fachjournal "Scientific Reports" vorgestellten Studie war auch der Neurochirurg Ashesh Mehta von der Hofstra Northwell School of Medicine in Manhasset in New York. Einbezogen wurden fünf von Mehta behandelte Patienten mit Epilepsie, deren implantierte Elektroden Signale aus dem Hörzentrum aufnehmen können.

Aufbereitung im künstlichen Neuronennetzwerk

Zunächst wurde das Spracherzeugungssystem trainiert. "Dies ist die gleiche Technologie, die von Amazon Echo und Apple Siri verwendet wurde, um unsere Fragen verbal zu beantworten", erklärte Mesgarani. Allerdings bestanden die Trainingsdaten in diesem Fall nicht aus gesprochener Sprache, sondern aus den Hirnsignalen der Patienten in Reaktion auf gesprochene Sprache. Anschließend nutzten die Forscher ein umfangreiches Netzwerk aus künstlichen Neuronen, um den Sound des Spracherzeugungssystems zu analysieren und aufzubereiten.

Im Ergebnis ist eine roboterhaft klingende Stimme zu hören, die Ziffern von Null bis Neun spricht. Mesgarani und Kollegen spielten die Ergebnisse, die aus den Hirnsignalen der fünf Epilepsie-Patienten gewonnen worden waren, elf Testpersonen vor. Sie erkannten nicht nur die gesprochenen Wörter während 75 Prozent der Aufnahmezeit, sondern zu 80 Prozent auch, ob die sprechende Person männlich oder weiblich war.

Basis für ein zukünftiges Implantat?

Das Team um Mesgarani hofft, dass eine weiterentwickelte Version ihres Verfahrens Teil eines Implantats werden könnte, das Gedanken direkt in gesprochene Sprache verwandelt. "Wenn der Träger in diesem Szenario denkt: ,Ich brauche ein Glas Wasser", könnte unser System die durch diesen Gedanken erzeugten Gehirnsignale aufnehmen und in eine synthetische verbale Sprache umwandeln", stellte Mesgarani in Aussicht.

Niels Birbaumer von der Universität Tübingen, der nicht an der Studie beteiligt war, dämpft allerdings die Erwartungen: "Im Grunde haben die Forscher nur die Reaktion des Gehirns auf einen äußeren Reiz aufgezeichnet." Dies sei, auf andere Reize bezogen, grundsätzlich schon seit der Einführung der Elektroenzephalografie (EEG) im Jahr 1929 möglich. Um tatsächlich Gedanken eines Menschen in gesprochene Worte zu übertragen, seien vermutlich mehrere 1.000 Elektroden im Gehirn notwendig. "Bei Gelähmten können wir ,ja" oder ,nein" aus den Gehirnwellen herauslesen, aber keine Gedanken rekonstruieren." (red, APA, 4.2.2019)