Michael Rami (zweiter von links) war als Anwalt für Spitzenpolitiker und als Richter am Verfassungsgerichtshof (VfGH) tätig. Das sorgte für Unmut.

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Michael Rami stand fast sein ganzes Berufsleben lang Politikern zur Seite. Er verteidigte Jörg Haider und Karl-Heinz Grasser, den roten Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, das BZÖ und unzählige Male die FPÖ – der 50-Jährige ist einer der besten und angesehensten Medienanwälte des Landes. Nun will – oder muss – er die Finger von der Spitzenpolitik lassen.

Die Optik und die Rolle

"Ich habe in der Vergangenheit Politiker verschiedener Parteien in meinem Spezialgebiet Persönlichkeitsschutz vertreten und war dadurch in meiner Tätigkeit als Richter des VfGH in keiner Weise befangen; ich verstehe aber, dass auch die Optik in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielt", begründet er den Schritt.

Rami wurde vergangenen April als Verfassungsrichter angelobt – auf Vorschlag der FPÖ. Seither fungierte er als Anwalt für Vizekanzler Heinz-Christian Strache (gegen PR-Berater Rudolf Fußi sowie den Grünen-Politiker Michel Reimon) und für Innenminister Herbert Kickl (gegen Peter Pilz), was zuletzt auch die Oppositionsparteien kritisierten.

Abgeordneter und Rechtsanwalt

Doch während in Ramis Fall gerade die öffentlichkeitswirksame Tätigkeit für Regierungsmitglieder für Aufregung sorgte, herrscht im Nationalrat die gegenteilige Problematik. Denn dort sitzen zurzeit rund zehn Abgeordnete, die neben ihrer Tätigkeit als Politiker weiterhin als Anwälte oder Juristen agieren. Die meisten davon sind Freiheitliche, etwa deren Klubobmann Walter Rosenkranz.

Die Mandatare müssen nicht offenlegen, welche Klienten sie betreuen, sondern nur, wie viel sie insgesamt in einem Kalenderjahr verdient haben. "Wir wissen nicht, für wen die Anwälte arbeiten oder ob sie in- oder ausländische Klienten haben", sagt Marion Breitschopf von der Transparenzplattform MeineAbgeordneten.at dem STANDARD. Sie plädiert dafür, die Transparenzvorschriften zu verschärfen. Ein wesentlicher Fortschritt wäre es etwa, wenn Anwälte angeben würden, wie viele Klienten sie aus welcher Branche betreuen und welche Einnahmen sie damit generieren.

Interessenkonflikte beachten

Wenn man wüsste, dass ein bestimmter Abgeordneter tausende Euro mit Kunden aus der Energiebranche verdient, könnte man sich dessen Abstimmungsverhalten bei energiepolitischen Themen ansehen, erklärt Breitschopf. Dasselbe gilt auch für Consulter und Berater, die ebenfalls keine Klienten offenlegen müssen. Wobei Breitschopf betont, keinesfalls ein Berufsverbot für diese Branchen zu fordern: "Die Berufsfreiheit endet jedoch dort, wo politische Einflussnahme im Sinne der eigenen Klienten beginnt."

Ganz anders ist das beispielsweise in Großbritannien. Dort müssen Abgeordnete präzise offenlegen, wen sie wann wo beraten oder vertreten haben. Das gilt nicht nur für Anwälte – theoretisch müssten auch Psychotherapeuten, die als Abgeordnete tätig sind, ihre Klienten outen. Auch jeder einzelne Vortrag muss mit dem exakten Honorar gemeldet werden.

Zusperren bei mehr Transparenz

"Dann könnten wir die Kanzlei zusperren", sagt der Abgeordnete und Anwalt Johannes Jarolim im Gespräch mit dem STANDARD. Er sieht eine "mangelnde Diskursfähigkeit und Konfliktkultur" in Österreich, Klienten würden davor zurückschrecken, in die öffentliche Debatte gezogen zu werden.

Mit einer Auflistung der Branchen, aus der Klienten stammen, hätte Jarolim hingegen kein Problem. Im Herbst 2017 war er selbst in die Kritik geraten, weil er einen Antrag zum Thema Lebensversicherungen eingebracht hatte – und gleichzeitig zwei Versicherungsunternehmen als Anwalt vertrat. Er gab schon damals zu, dass die Optik "nicht optimal" gewesen sei.

Langsame Fortschritte

Für österreichische Verhältnisse war aber schon die Einführung öffentlich publizierter Nebentätigkeiten samt stufenweiser Angabe des Gehalts ein Fortschritt. Dafür verantwortlich ist das Unvereinbarkeits- und Transparenzgesetz, das 2012 geändert wurde. Das Gesetz passierte den Verfassungsausschuss, dem damals drei Juristen vorsaßen: Peter Wittmann (SPÖ), Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Harald Stefan (FPÖ). (Katharina Mittelstaedt, Fabian Schmid, 31.1.2019)