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Theresa May wird von ihrem Parlament wieder nach Brüssel geschickt.

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Nach den widersprüchlichen Abstimmungen im Unterhaus herrscht in London und bei den EU-Verbündeten Rätselraten darüber, wie ein möglicher Kompromiss in Sachen Brexit aussehen könnte. Premierministerin Theresa May bleiben bis zum nächsten parlamentarischen Showdown vierzehn Tage Zeit, um wie versprochen "bedeutsame und bindende Änderungen" am EU-Austrittsvertrag zu erreichen. Dies wird in Brüssel abgelehnt.

Am Mittwochnachmittag empfing die Tory-Chefin den Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn zu einem Gespräch in ihrem Regierungssitz an der Downing Street. Ein entsprechendes Angebot hatte der 69-Jährige zwei Wochen lang abgelehnt: Zunächst müsse die Konservative die Möglichkeit eines No-Deal-Brexits ausschließen. Ein entsprechender Beschluss des Unterhauses vom Dienstagabend gab Corbyn nun die Ausrede dafür, von seiner Linie abzuweichen.

Keine bindende Wirkung

Allerdings hat die mit knapper Mehrheit (318:310) und gegen die Stimmen der meisten Konservativen zustande gekommene Willensäußerung keine bindende Wirkung. Dies gilt genauso für die Abstimmung über einen Antrag des einflussreichen Tory-Hinterbänklers Graham Brady, den Mays Minderheitsregierung unterstützt hatte. Während aber May am Mittwoch im Unterhaus der Frage auswich, ob sie die No-Deal-Resolution respektieren werde, pries sie die Mehrheit (317:301) für den Brady-Plan als "beträchtlich und tragfähig".

Der Brady-Antrag signalisiert Zustimmung zum längst ausgehandelten Austrittsvertrag unter der Voraussetzung, dass "alternative Methoden" zum sogenannten Backstop gefunden werden, der die Grenze zu Nordirland offenhalten soll. Der Dubliner Vizepremier Simon Coveney lehnte Neuverhandlungen klar ab. Auch andere EU-Verbündete erklärten den Austrittsvertrag für unantastbar.

Vielerorts wurden Vorbehalte gegen Mays Beteuerung laut, sie habe nun ihre Partei geschlossen hinter sich. Tatsächlich hatten die Brexit-Ultras bei den Konservativen schon vorab signalisiert, sie fühlten sich keineswegs an die Fraktionsdisziplin gebunden. Eine Reihe von Hardlinern wünschen insgeheim oder sogar explizit den No-Deal-Brexit herbei; Nordirlands Platz im Vereinigten Königreich dient ihnen lediglich als Vorwand.

Corbyn punktet

Darauf wies in der Kabinettssitzung am Dienstag der Justizminister und Brexit-Skeptiker David Gauke hin. Den Forderungen der Hardliner nachzugeben sei aussichtslos, denn: "Als Nächstes wollen sie Calais zurückhaben." Die französische Stadt am Ärmelkanal ging 1558 nach einer Belagerung der englischen Krone verloren.

Im allwöchentlichen Schlagabtausch "Fragen an die Premierministerin" konnte Corbyn am Mittwoch mit bohrenden Fragen nach Bradys "alternativen Methoden" punkten. Diese müsse man nun mit Brüssel sondieren, murmelte May unter dem Gelächter vieler Abgeordneter.

Dabei entpuppte sich die von London schon 2018 ins Spiel gebrachte "neue Technik" zur Grenzkontrolle als so "neu", dass sie in Wirklichkeit noch gar nicht existiert. Demonstriert haben die Abstimmungen vom Dienstag vor allem eines: den unbedingten Machtwillen der Tories sowie Labours Spaltung zwischen der Parteiführung um Corbyn und den EU-freundlichen Hinterbänklern. (Sebastian Borger aus London, 30.1.2019)