Ein Roboter-Automat wie hier am Bahnhof in Zürich kommt direkt zum Kunden, ersetzt aber Verkäufer.

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Die Horrormeldungen über den "Jobkiller Digitalisierung" scheinen – vorerst – übertrieben. Eine Analyse der Beschäftigungseffekte tief in die österreichischen Arbeitsmarktbezirke hinein zeigt, dass die Indikatoren zur Messung des Digitalisierungsgrades der lokalen Wirtschaft keinen statistisch negativen Zusammenhang mit der Entwicklung der Zahl der Beschäftigten ergibt.

Im Gegenteil, für sechs der acht Indikatoren ist der Zusammenhang positiv und auch statistisch signifikant. Das ergab eine Erhebung des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo im Auftrag der Verbindungsstelle der Österreichischen Bundesländer.

Gravierende Unterschiede zwischen der Entwicklung von Ballungsräumen und dünner besiedelten Regionen, also das häufig bemühte Stadt-Land-Gefälle, hingegen bestätigten sich in Bezug auf Digitalisierung nicht, sagt Matthias Firgo, einer der Studienautoren des Wifo. Wohl sind die Gesamteffekte auf die lokale Beschäftigung in Regionen mit vielen einschlägig oder höher ausgebildeten Personen tendenziell positiver. Auch die Beschäftigung ist in hoch digitalisierten Branchen insgesamt gestiegen – in absoluten Zahlen, in allen Bundesländern und auch anteilig an der Gesamtbeschäftigung (siehe Grafik).

Ballungsräume strahlen aus

Da es in Österreich aber keine echte Peripherie gibt, also ganze Landstriche wie in den USA, wo es nichts gibt außer einer Landstraße zum Durchfahren, sind bis dato auch keine Totalverlierer durch die Digitalisierung auszumachen, sagt der auf Regionalisierung spezialisierte Wifo-Ökonom Peter Mayerhofer. "Die Mehrheit der EU-Länder hat eine Divergenz, Österreich nicht." Das liege auch daran, dass die Branchenstruktur der österreichischen Wirtschaft viel stärker durchmischt ist als in anderen Regionen der EU, außerdem gebe es auch Aufholprozesse.

"Auch ländliche Regionen profitieren von Ausstrahleffekten der Ballungszentren", sagt Mayerhofer mit Verweis auf verbesserte Straßenverbindungen ins Waldviertel. Denn eine bessere digitale Infrastruktur habe die gleichen Auswirkung wie die analoge Infrastruktur. Aber: "Ohne aktive politische Steuerung bringt der Breitbandaubau keinen Stopp der Abwanderung", sagt Firgo. Ohne Nahversorgung, öffentliche Verkehrsanbindung, Kindergärten etc. bleibe die erwerbsfähige Bevölkerung ebensowenig in einer Region wie Unternehmen, die ohne digitale Infrastruktur gar nicht auskommen.

Breitband allein genügt nicht

Womit allerdings auch klar ist: Mit einem forcierten Breitband-Ausbau allein, zu dem sich nicht erst die aktuelle Regierung verpflichtet hat, werden sich Stadtflucht und die Abwanderung der erwerbsfähigen Bevölkerung aus peripheren Regionen nicht aufhalten lassen. Wohl stieg die Beschäftigung in Gemeinden mit höherer Übertragungsgeschwindigkeit von 2014 bis 2016: Festgestellt wurde ein Anstieg der Beschäftigungsrate um 0,3 Prozentpunkte bei einer Verdoppelung der Übertragungsgeschwindigkeit. Hätte sich die Download-Rate im ganzen Land verdoppelt, entstünden österreichweit an die 11.500 Arbeitsplätze, rechnen die Wifo-Forscher hoch.

Eine hinreichende Voraussetzung für Digitalisierungsgewinne ist der Breitbandausbau dennoch nicht, attestiert Firgo. Es braucht in einer Region auch Know-how, Kreativität, Innovation und vor allem Bildung, um hochtechnologisierte Unternehmen und damit Beschäftigte zu halten oder gar anzusiedeln.

Digitalisierung als Treiber

Insgesamt bestätigt die Wifo-Untersuchung, was wie eine Binsenweisheit klingt: Die Beschäftigung in hoch digitalisierten Branchen ist stärker gewachsen als die Gesamtbeschäftigung. Das bedeutet aber auch, dass die steigende Nachfrage nach Sachgütern und Dienstleistungen, die in hoch digitalisierten Wirtschaftsbereichen hergestellt werden, die potenziell arbeitssparenden Elemente der Digitalisierung in diesen Branchen überwiegen. Den stärksten Bedeutungsgewinn seit 2010 erfuhren die digitalisierten Branchen in der Steiermark, den geringsten im Burgenland und in Kärnten sowie in den westlichen Bundesländern.

Geht man noch tiefer hinein und unterscheidet zwischen IKT-Produzenten (Anbieter von Informationstechnologie, Datenverarbeiter, Elektronikhersteller) und Intensivnutzern von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), zeigen sich teils gegenläufige Muster: Bei IKT-Produzenten nahm die Beschäftigung in allen Bundesländern sowohl absolut als auch im Vergleich zur Gesamtbeschäftigung zu (mit Ausnahme des Burgenlandes). Auch der Anteil an IKT-Fachkräften an der Gesamtbeschäftigung ist in allen Bundesländern, gestiegen (urbane und nicht-urbane Regionen).

Noch immer positiv, aber weniger explosiv entwickelten sich hingegen IKT-nutzende Wirtschaftszweige, also etwa Maschinenhersteller, Kfz-Bau oder Rundfunkveranstalter.

Lokale Unterschiede

Und, drittens: Ein genereller Aufholprozess ländlicher Regionen in stark digitalisierten Branchen ist nicht erkennbar.

Was das für die groß angelegten Aubaupläne mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G bedeutet, der zumindest zum Teil mit dem Erlös aus der Frequenzversteigerung im Frühjahr finanziert werden soll? Die Erwartungen eines flächendeckenden Ausbaus, wie in die Politik favorisiert, sollte auf der arbeitsmarktpolitischen Ertragsseite nicht überschießend sein.

Auch sollte der Digitalausbau technologie-offen erfolgen, um Anbietern möglichst viele technologische Möglichkeiten offen zu lassen. Denn die digitale Kluft bestehe nicht nur angebotsseitig, weil die Ertragsmöglichkeiten im städtischen Berich von Natur aus deutlich größer sind. Betriebe im ländlichen Bereich haben neben Nachteilen bei der Anbindung auch höhere Kosten. Mit der Datenauslagerung und -speicherung in die Cloud gibt es diesbezüglich inzwischen zwar Alternativen, aber für Telefonkonferenzen oder aufwändige computergesteuerte Produktionsprozesse ist die vorhandene Bandbreite dann doch zu instabil. (Luise Ungerboeck, 31.1.2019)