Dieser Strand ist eigentlich Grund genug nach Dénia zu kommen. Rund 300 Restaurants bieten noch weitere.

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Die Garnele aus Dénia ist hochrot, auch wenn sie nicht gekocht wird.

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Quique Dacosta: Ein bisschen Inszenierung kann nicht schaden.

Quique Dacosta

Sie ist eine Delikatesse, eine Rarität obendrein und eine Herausforderung für Spitzenköche: die Gamba Roja de Dénia, eine Rotgarnele, die von nur fünf Fischerbooten in einem Tiefseegraben zwischen der Costa Blanca und Ibiza gefangen wird. Mit extrem langen Netzen holen sie die Fischer der Küstenstadt Dénia aus 700 bis 1000 Metern Tiefe. Nicht nur, dass sie großartig schmeckt, nach Meer, nach Tiefe, nach Geheimnis. Sie hat auch das ganze Aroma eines Krustentiers, wenn sie ganz ohne Gewürze zubereitet wird und ist bereits sattrot, ohne dass sie gekocht werden muss. Und sie ist nicht unangenehm glasig wie die meisten anderen Garnelenarten. Sie ist die appetitlichste Schönheit ihrer Art.

Woran das liegt? Juan Garcia weiß es genau: "Sie frisst spezielle Algen, die nur in ihrem Lebensraum vorkommen. Dadurch nimmt sie diese intensive Farbe an." Der Mann hat sich ein Leben lang mit der Gamba Roja beschäftigt und ist so etwas wie ihr natürlicher Feind – als Fischer aus Dénia. 67 ist er jetzt, 52 Jahre hat er auf dem Meer zugebracht, sein Sohn Samuel wird den Betrieb fortführen: "Wir fahren morgens um fünf raus, sind am Nachmittag zurück – außer die See ist zu rau." An manchen Tagen bringt er mit seiner "Franjumar" mit drei Mann Besatzung zwanzig Kisten mit nach Hause, an anderen nur vier. "Es hängt an der Jahreszeit, am Wetter. Daran, wie die See am Tag zuvor beschaffen war. Deswegen kannst du als Fischer vorher keine Mengengarantien abgeben."

Hote Gebote für die Garnele

Seine Ausbeute wird wie die der anderen jeden Nachmittag in der Auktionshalle am Hafen von Dénia versteigert. Die Bieter hocken auf den Rängen, Zuschauer – viele Urlauber darunter – verfolgen das Geschehen von Stehplätzen auf einer Galerie aus. Bei durchschnittlich 100 Euro liegt der Kilopreis für Gambas Rojas. An manchen Tagen mit großer Ausbeute kann er auf 80 Euro fallen, zu Feiertagen wie Weihnachten und Ostern schießt er auf bis zu 250 Euro in die Höhe. Und doch: Die Gamba Roja ist erst in jüngeren Jahren als Delikatesse entdeckt worden. Vor 20 Jahren hat das Kilo noch 16 Euro gekostet. Heute ist sie die Königin der Alta Cocina in Spanien.

Regelmäßig geht auch José Manuel Lopez zur Auktion. Er weiß am besten, was er für die zwei Restaurants unter seiner Verantwortung braucht. Noch vor der Versteigerung verschwindet er hinter den Kulissen, um die Gambas aus der Nähe zu prüfen. Da geht es um die Farbe, die Festigkeit, die Größe. Bekommt er "seine" gewünschte Kiste, strahlt der stille, große Mann mit dem Drei-Tage-Bart, als hätte ihm jemand unverhofft sein erstes Auto geschenkt. Er greift sich seine Kiste selber, statt sie sich zum Restaurant bringen zu lassen. Fast umarmt er sie, als wollte er sie nie mehr loslassen.

Dabei fällt der Blick auf das Tattoo an seinem rechten Unterarm: ein großer Oktopus. Wie es sein kann, dass dort keine knallrote Garnele prangt? Als er jung war, habe er einen Fehler gemacht, und sich für das falsche Tier entschieden, meint er im Scherz. Eines, das er immer gerne gegessen hat und seit seinen Lehrjahren als junger Koch in zahllosen Varianten großartig zubereiten kann. Wirklich schlimm sei das nicht: "Auf der Schulter ist ja noch Platz", sagt José Manuel Lopez. Für seine aktuelle Liebe. Und er schwärmt weiter. Die Gamba Roja sei ein "producto de kilometro zero" – eine Delikatesse, die vor der Haustür lebt und nicht um die halbe Welt geflogen ist, ehe sie auf den Teller gelangt.

Kreative Gastronomie

"Die Gamba Roja reist nicht gerne. Am besten ist sie dort, wo sie gefangen wird", ist Drei-Sterne-Koch Quique Dacosta mit ihm einer Meinung. Sein Restaurant taucht seit der Eröffnung immer wieder auf der "World’s 50 Best Restaurant"-Liste auf. Die 42.000-Einwohner-Stadt Dénia profiliert sich seit einigen Jahren über Vielfalt und Qualität ihrer Gastronomie. Mehr als 300 Restaurants gibt es hier – sehr viel für eine Stadt dieser Größe. Kürzlich ist sie als eine von bisher 24 Orten weltweit von der Unesco in den Kreis der Creative Cities of Gastronomy erhoben worden, deren lokale Kultur und Geschichte sich auf besondere Weise in ihrer Küche spiegelt. Auch der Tourismus profitiert davon. Viele kommen nur wegen Delikatessen wie der Gamba Roja, obwohl schon der herrliche Strand von Dénia Grund genug dafür böte.

Ob Fischer Juan Garcia die Gamba Roja nach so vielen Jahren überhaupt noch essen mag? Er schaut irritiert, sagt dann "Oh ja, natürlich", als wäre es eine Selbstverständlichkeit. "Nur dass sie für mich nicht diese besondere Delikatesse ist. Weil ich jeden Tag ein paar davon haben kann."

Betriebsgeheimnis!

Und wie José Manuel Lopez die Gamba am Herd seines Restaurants "Peix i Brases" am Rande des alten Fischerviertels von Dénia zubereitet? "Ich koche sie nur einen ganz kurzen Moment in Meerwasser, kühle sie dann schlagartig in Eiswasser ab." Die genaue Garzeit? Die Temperatur? Alles Betriebsgeheimnis! Nur so viel: "Die Großen gelingen besser als die Kleinen. Denn die Gamba braucht ein gewisses Volumen für eine gute Konsistenz. Dann ist das Aroma am besten."

Siebenmal hat es in Dénias alter Markthalle bereits das Festival der Gamba Roja gegeben, bei dem Meisterköche aus ganz Spanien vor Publikum jenes Meerestier zubereiten. José Manuel Lopez ist Erster geworden, gleich bei der Premiere im Jahr 2012. Da wäre eigentlich das Tattoo für die Schulter fällig gewesen. (Helge Sobik, 8.2.2019)