Monotone Bewegungen können zu Entzündungen führen. Neben der Computertastatur können auch Tennisschläger oder Musikinstrumente die Auslöser sein.

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Wer leidenschaftlich Klavier oder Gitarre spielt, körperlich hart arbeitet oder täglich am Computer tippt, hat die Symptome wahrscheinlich schon erlebt: starke ziehende oder stechende Schmerzen am Handgelenk, selbst wenn man dieses nicht bewegt. Oft ist die beeinträchtigte Stelle geschwollen und gerötet, in manchen Fällen kommt es beim Bewegen zu Reibegeräuschen. Büroangestellte sprechen dann von einem "Mausarm". Ärzte verwenden den Fachbegriff "Tendovaginitis" – abgeleitet von den lateinischen Wörtern "tendo" (Sehne) und "vagina" (Hülle, Scheide); die Wortendung "-itis" steht für "Entzündung". Auch an Achillessehne, Sprunggelenk, Ellbogen und Schulter führt Überlastung nicht selten zu einer Sehnenscheidenentzündung.

Dabei hat die Natur eigentlich vorgesorgt: Überall dort, wo Sehnen direkt auf dem Knochen verlaufen, werden sie durch Hüllen aus Bindegewebe vor Reibung geschützt. Führt man im Alltag aber gleichförmige, repetitive Bewegungen aus, kann das die Sehnenscheiden überstrapazieren. "Sportler sind besonders gefährdet", weiß der Wiener Handchirurg Hugo Kitzinger, aber auch Bauarbeiter, Masseure, Umzugshelfer, Musikerinnen, Kassierer, junge Mütter und Menschen, die am Computer arbeiten, leiden häufig an einer Sehnenscheidenentzündung.

Zu viel Druck

Wie wird man die Schmerzen wieder los? "Unsere Sehnen übertragen die Muskelkraft auf Knochenglieder und bewegen so die zwischengeschalteten Gelenke", erklärt Kitzinger. "Insbesondere über dem Handgelenk ist der Sehnenverlauf exponiert und wird deshalb in Sehnenfächern geführt und kanalisiert." Gleitet eine Sehne sehr oft mit viel Druck über einen harten Widerstand, kann das Gewebe ihrer Schutzhülle dennoch überlastet werden und sich entzünden. "Auch die Sehne selbst wird dann oft in Mitleidenschaft gezogen", sagt der Chirurg. Die gute Nachricht: Meist sind Sehnenscheidenentzündungen ungefährlich und leicht zu behandeln. Die schlechte Nachricht: Selbst bei konsequenter Schonung kann es viele Wochen dauern, bis die Beschwerden abklingen.

Wichtig ist vor allem, solche Leiden nicht zu verschleppen, betont Kitzinger. "Wer sich im Anfangsstadium die Zeit für ein gründliches Auskurieren nimmt, hat gute Heilungschancen." Oft sogar ohne Medikamente. In vielen Fällen reiche es aus, das Gelenk einige Tage lang nicht zu bewegen, hoch zu lagern und zu kühlen, sagt er. "Und auch Topfenumschläge können helfen."

Sind die Beschwerden hartnäckig, verschreiben Ärzte zusätzlich Medikamente wie sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), die schmerzlindernd und entzündungshemmend wirken. "Entsprechende Salben helfen in der Regel leider wenig", sagt Kitzinger, "weil durch Haut und Gewebe zu wenig Wirkstoffe bis an die entzündete Stelle gelangen." NSAR-Tabletten seien wirksamer. Einen Rat solle man aber in jedem Fall beherzigen, ergänzt der renommierte Luzerner Arbeitsmediziner Christian Schmidts: "Die betroffene Körperstelle muss weiter geschont werden, selbst wenn aufgrund der Medikamente keine Warnung mehr durch Schmerzen erfolgt." Sonst könne das ein Abheilen der Sehne verhindern und anhaltende Beschwerden verursachen.

Meistens völlig ungefährlich

Viele ergänzende Behandlungsangebote stehen zur Auswahl: von Heilkräutern über Akupunktur bis hin zur extrakorporalen Stoßwellentherapie, bei der durch elektromagnetische Wellen Heilungsprozesse angeregt werden sollen. Alternativmedizinisch orientierte Ärzte verordnen auch Salben, die Heilerde, Arnika oder Kümmelöl enthalten. Eine große wissenschaftliche Untersuchung ergab 2014 allerdings, dass bei Sehnenscheidenentzündungen keine einzige nichtoperative Heilmethode eindeutig in jedem Fall empfohlen werden kann. Schmidts' Fazit: "Als Zusatztherapie eignet sich letztlich alles, was von den Patienten als angenehm empfunden wird."

Wird mit allen anderen Methoden keine Linderung erzielt, spritzt Hugo Kitzinger den Patienten in seiner Ordination für Handchirurgie in Wien manchmal ein Lokalanästhetikum (ein Mittel, das den Schmerz vor Ort betäubt) sowie Kortison in die betroffene Sehnenscheide. Das Kortisondepot reicht für mehrere Wochen und bekämpft die Entzündung. "Oft kriegt man das Problem so in den Griff", sagt der Chirurg. Dennoch setzt er solche Spritzen möglichst selten ein. "Kortison ist ein sehr wirksames Mittel", so Kitzinger. "Es hat aber leider auch Nebenwirkungen." Zum Beispiel kann dieses Medikament in Einzelfällen an der Einstichstelle zu einer Atrophie, also zu einem Abbau des Bindegewebes, führen.

Die meisten Sehnenscheidenentzündungen sind völlig ungefährlich, betont Kitzinger: Wer das entsprechende Gelenk schont, wird wieder gesund. Vereinzelt gibt es aber auch schwere Fälle, bei denen selbst eine Behandlung mit Kortison keinen Erfolg bringt. "Spätestens dann stellt sich die Frage, ob ein chirurgischer Eingriff sinnvoll ist", sagt Kitzinger. In seine Ordination kommen häufig Patienten, deren Hausärzte bereits die üblichen Behandlungsmethoden erfolglos ausprobiert haben. Jedes Jahr operiert er über 100 Patienten an chronisch entzündeten Sehnenscheiden.

Operativ weiten

Bei solchen Eingriffen wird der zu eng gewordene bindegewebige Sehnenkanal erweitert, sodass die Sehne wieder ohne Widerstand und Reibung gleiten kann. Die OP wird ambulant als sogenannter minimalinvasiver Eingriff in örtlicher Betäubung oder in Kombination mit einem leichten Dämmerschlaf durchgeführt und benötigt einen nur ein bis zwei Zentimeter langen Hautschnitt. Im Anschluss an die OP sollte das Gelenk gleich wieder bewegt werden, um ein narbiges Verkleben der Sehnen bzw. Sehnenscheiden zu vermeiden.

Doch – Therapie, OP oder Selbstheilung hin oder her – droht nach der Genesung nicht bald ein Rückfall? Christian Schmidts macht Mut. "Unser Körper kann sich den Anforderungen anpassen", sagt der Arbeitsmediziner. Wer sich Belastungen behutsam und gezielt aussetze, trainiere seine Muskeln und die dazugehörigen Sehnen. Am besten lasse man sich von einer Physiotherapeutin beraten, die sich mit Sehnenscheidenentzündungen auskenne und geeignete Übungen empfehlen kann.

Abwechslung tut gut

Im beruflichen Alltag lasse sich oft einiges verändern. "Angestellte von Verpackungsanlagen, die bei der Arbeit immer wieder die gleichen Handbewegungen machen, leiden zum Beispiel oft unter Sehnenscheidenentzündungen", so Schmidts. Solche starren Bewegungsmuster gelte es möglichst aufzulösen. Er empfiehlt beispielsweise, Gegenstände "auch mal anders als gewohnt in die Hand zu nehmen". Oder schlicht die Hände öfter abzuwechseln.

Auch Schreibtischarbeiter können überstrapazierte Sehnen mit einfachen Tricks entlasten, sagt der Mediziner: Warum statt der Computermaus zur Abwechslung nicht öfter eine Tastenkombination nutzen oder die Maus mit der schwächeren Hand bedienen? "Einfach immer schön abwechseln", sagt der Arbeitsmediziner. "Nach kurzer Eingewöhnungszeit klappt das meist ganz gut." Und selbst bei Vielschreibern wie Journalisten komme es dann – hoffentlich – nie wieder zu einem Mausarm-Alarm. (Till Hein, 5.2.219)