Der Khumbu-Eisfall am Mount Everest – der Beginn des wohl berühmtesten Gletschers im Himalaya.
Foto: Uwe Gille

Es war einer der peinlichsten Fehler, die dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) je passiert sind. In seinem vierten Bericht aus dem Jahr 2007 prognostizierte der Weltklimarat, dass die Himalaya-Gletscher bis zum Jahr 2035 vollständig verschwunden sein könnten. Es dauerte bis Anfang 2010, ehe dieser für Fachleute leicht erkennbare und während der Berichterstellung auch bemerkte Unsinn korrigiert wurde.

Prompt kam es zu heftiger Kritik am damaligen IPCC-Vorsitzenden Rajendra Pachauri und seinem Team. Erst Wochen nach dem Entdecken des Fehlers ruderte man beim IPCC in einer knappen Stellungnahme zurück und versprach künftig mehr Sorgfalt. Da war der "Glaciergate"-Schaden freilich schon angerichtet. Der Weltklimarat und sein Vorsitzender, der 2015 zurücktrat, hatten in der Öffentlichkeit einiges an Glaubwürdigkeit verloren.

Unterschiedliche Szenarien bis 2100

Doch wie wie sieht es mit dem Abschmelzen der Gletscher im Himalaya und dem Hindukusch nun wirklich aus? Schließlich ist das jene Region der Welt, wo nach der Antarktis und der Arktis (inklusive Grönland) am meisten Wasser in Form von Eis gespeichert ist.

Dieser Frage ging ein Team um Philippus Wester vom International Centre for Integrated Mountain Development (Icimod) in einer neuen buchlangen Studie nach, die es auch als Gratis-PDF im Netz gibt. Die Ergebnisse sind im Vergleich zur irrtümlichen Falschprognose des IPCC zwar weniger apokalyptisch – aber dramatisch genug: Mindestens ein Drittel der riesigen Eisfelder vom Dach der Welt ist bis zum Ende des Jahrhunderts aufgrund des Klimawandels unwiderruflich zum Schmelzen verurteilt.

Das ist freilich die Idealprognose. Für dieses Szenario müsste es der Menschheit gelingen, die Erwärmung des Planeten bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Das würde bedeuten, dass die Erwärmung in den Gebirgen immer noch 2,1 Grad beträgt. Schaffen wir immerhin das 2-Grad-Ziel (der Temperaturanstieg im Gebirge beträgt dann 2,7 Grad), schmilzt bis zum Jahr 2100 die Hälfte ab. Machen wir weiter wie bisher, steigt die Temperatur bis 2100 um 4 bis 5 Grad, und zwei Drittel des "ewigen Eises", das doch nicht so ewig ist, werden in den höchsten Gebirgen der Welt verschwinden.

1,9 Milliarden Menschen sind betroffen

Die absehbare Gletscherschmelze wird laut den Prognosen der Forscher zunächst für eine Zunahme des Abflusses sorgen, deren Maximum sie für die 2050er- und 2060er-Jahre vorhersehen. Danach führten die Ströme wie etwa der Indus deutlich weniger Wasser. Daraus ergäben sich Probleme für die Landwirtschaft, aber auch für die Stromversorgung.

Das Indus-Tal in der Nähe der nordindischen Stadt Leh. Ein Gutteil des Wassers stammt aus dem Himalaya.
Foto: HerrK

Abgesehen vom IPCC-Fehler hat die Region Himalaya-Hindukusch in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Klimawandel vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erhalten. Das ist umso erstaunlicher, als von den Wasservorräten der Gletscher – anders als in der Arktis, in der Antarktis oder auf Grönland – 250 Millionen Menschen in der Region unmittelbar betroffen sind. Nimmt man noch die Menschen dazu, die an den Flüssen leben, die von den Gletschern gespeist werden, sind es 1,9 Milliarden.

Der Himalaya mit dem Hindukusch im Nordwesten sowie die Flüsse, die vom Schmelzwasser der Gebirge gespeist werden.
Foto: Alan Mak

Die "unbekannte Klimakrise"

Entsprechend wies Studienleiter Philippus Wester im Gespräch mit der britischen Zeitung "Guardian" darauf hin, dass man in Sachen Klimawandelfolgen eher über die Arktis oder kleine, vom Anstieg des Meeresspiegels betroffene Inselstaaten spreche. "Das hier ist die Klimakrise, von der Sie noch nicht gehört haben", sagte der Forscher. Nun würde man auch genug, wissen um Maßnahmen zu ergreifen – zumal dringender Handlungsbedarf bestehe.

Der neue Bericht, der von den acht angrenzenden Nationen (Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, China, Indien, Myanmar, Nepal und Pakistan) gefordert wurde, soll dieses Aufmerksamkeitsdefizit ändern. Mehr als 200 Wissenschafter haben fünf Jahre lang an dem Bericht gearbeitet, weitere 125 Experten haben ihre Arbeit begutachtet. Aufgrund dieser rigorosen Selbstkontrolle sollten die Prognosen diesmal auch stimmen. (tasch, 10.2.2019)