Ein neu entdeckter Naturstoff könnte künftig womöglich als begehrter Ersatz für das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat dienen: Das neu gefundene Zuckermolekül aus Cyanobakterien hemmt das Wachstum verschiedener Mikroorganismen und Pflanzen, ist aber für Menschen und Tiere ungefährlich, wie Wissenschafter von der Universität Tübingen herausgefunden haben.

Das Team um Klaus Brilisauer stieß bei seinen Untersuchungen auf einen ungewöhnlichen Antimetaboliten mit bestechend einfacher chemischer Struktur: Ein Zuckermolekül mit der wissenschaftlichen Bezeichnung 7-desoxy-Sedoheptulose (7dSh). Anders als gewöhnliche Kohlenhydrate, die in der Regel als Energiequelle für Wachstum dienen, hemmt diese Substanz das Wachstum verschiedener Pflanzen und Mikroorganismen, wie zum Beispiel Bakterien und Hefen.

Wie die Forscher im Fachjournal "Nature Communications" berichten, blockiert der Zucker dabei ein Enzym des sogenannten Shikimatwegs, eines Stoffwechselweges, der nur in Mikroorganismen und Pflanzen vorkommt. Aus diesem Grund stufen die Wissenschafter den Wirkstoff als unbedenklich für Menschen und Tiere ein und wiesen dies auch bereits in ersten Untersuchungen nach.

Entschlüsselte chemische Struktur

Der seltene Desoxy-Zucker wurde aus Kulturen des Süßwasser-Cyanobakteriums Synechococcus elongatus isoliert, das in der Lage ist, das Wachstum verwandter Bakterienstämme zu hemmen. Auf der Suche nach der Ursache für diese Wachstumshemmung gelang es den Forschern, die Struktur des Naturstoffes zu entschlüsseln. Dank einer neu entwickelten Methode zur Herstellung von 7dSh, einer sogenannten chemoenzymatischen Synthese, konnten umfangreiche Studien zur Aufklärung des molekularen Wirkprinzips durchgeführt werden.

Im Detail lieferte eine moderne Technik, die sogenannte gekoppelte hochauflösende Massenspektrometrie, genaue Einblicke in die Wirkweise des entdeckten Hemmstoffes (Inhibitors): 7dSh blockiert die Dehydrochinatsynthase, ein Enzym des Shikimatwegs. Einer der bislang bekanntesten Inhibitoren dieses Stoffwechselwegs ist das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat.

Geringe Ökotoxizität

"Anders als bei Glyphosat handelt es sich bei dem neu entdeckten Desoxy-Zucker um ein reines Naturprodukt, für das eine gute Abbaubarkeit und eine geringe Ökotoxizität erwartet wird", sagt Brilisauer. 7dSh hemme das Pflanzenwachstum vielversprechend. "Wir sehen hier eine hervorragende Chance, es als natürliches Herbizid einzusetzen."

Langfristiges Ziel sei, umstrittene Herbizide und damit auch deren gesundheitlich bedenklichen Abbauprodukte langfristig ersetzen zu können, so die Wissenschafter. Die Wirksamkeit im Feld, Abbaubarkeit im Boden und Unbedenklichkeit gegenüber Nutztieren und Mensch müssten für 7dSh jedoch in umfassenden Langzeitstudien weiter erforscht werden. (red, 5.2.2019)