Treffen die Geschichten der US-Autorin Kristen Roupenian (36) den Nerv der Zeit? Auf jeden Fall wirken sie wie Drehbücher für eine Netflix-Serie.

Foto: Elisa Roupenian Toha

Kristen Roupenian, "Cat Person". Aus dem Amerikanischen von Nella Beljan und Friederike Schilbach. Blumenbar, Berlin 2019

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Im Dezember 2017 veröffentlichte die unbekannte US-Schriftstellerin Kristen Roupenian im Magazin The New Yorker eine Kurzgeschichte, die sie über Nacht berühmt machte. Sie passte als Beitrag zur Fahrt aufnehmenden #MeToo-Debatte. In den sozialen Netzwerken wurde der Text hunderttausendfach geteilt, gelesen und kommentiert.

Roupenian erzählt darin von Margot (20) und Robert (34). Dass Robert so viel älter als sie ist, weiß das Mädchen nicht, doch er gefällt ihr. Das wochenlange Kennenlernen über SMS läuft gut, das erste Date stockt dann aber etwas. Wir erleben die Handlung aus Margots Perspektive. Bevor sie die Schuld bei Robert sucht, sucht sie den Fehler bei sich: Ist er unfreundlich oder nur nervös? Hat sie etwas falsch gemacht?

Es endet mit "Schlampe"

Margot geht mit ihm heim, und obwohl sie sich vor seinem haarigen Bauch ekelt und sie seine ungelenken Bewegungen abtörnen, schläft sie mit ihm. "Ich wollte schon immer ein Mädchen mit schönen Titten ficken", flüstert er in ihr Ohr. Als sie ihn nicht wiedersehen will, schimpft er sie eine "Schlampe".

Stark an der Erzählung ist der realistische, beinah analytische Ton: Genauso könnte es tausendfach geschehen. Zusammen mit elf weiteren Geschichten ist Cat Person nun in einem gleichnamigen Band erschienen. Die große Sensation bleibt aber aus. Der US-Verlag wollte Roupenians Popularität wohl rasch nützen und musste das Buch vollmachen. Die einzelnen Erzählungen schwanken in ihrer Qualität.

Aberwitzig und beklemmend

Böser Junge handelt von einem Paar, das Gefallen an einem Freund findet, der frisch getrennt ist und bei ihnen auf der Couch schläft. Sie entwickeln Sexfantasien zu dritt, mal darf er ihnen beim Sex zuschauen, dann wieder nicht. Diese Dominanz dehnen sie aus, "bis er nur noch schlief, aß oder pissen ging, wenn wir es ihm erlaubten".

Auf 13 Seiten peitscht Roupenian die Geschichte atemlos immer höher. Sie erzählt knapp und klar. Selbiges gilt für Sardinen. Ein Mädchen wendet sich darin brutal gegen die Neue des Vaters. In Matchbox Sign entwickelt eine junge Frau als Stresssymptom Hautrötungen und ist überzeugt, einen Parasiten in sich zu haben.

Westentaschenpsychologie

Treffen die Geschichten der 36-jährigen Roupenian den Nerv der Zeit? Haben sie etwas zu sagen über Datingapps und Vereinsamung und alles, was die Generation Y sonst noch umtreibt? Die besten Stellen von Cat Person versetzen einen in Anspannung. Die Settings sind herrlich aberwitzig. An der Titelgeschichte und dem feministischen Hype gemessen, enttäuscht der Band allerdings oft mit Westentaschenpsychologie. Das kann schon ermüden.

Schwach ist das instagramkritische Märchen über eine Prinzessin, die nur ihr Spiegelbild lieben kann. Der Junge im Pool erzählt die schrecklich banale Variante eines Junggesellinnenabschieds. Stark auf Effekt hin konstruiert, kann man das Schema F aus Suspense und ständig irgendwie dräuendem Unheil mögen oder mit der Zeit bemüht finden. Gemein ist allen Geschichten aber die Eignung zum Drehbuch. Man kann sich bei jeder einzelnen die Verfilmung für Netflix vorstellen. (Michael Wurmitzer, 5.2.2019)