Das ganz große Grillen – im Semendria auf der Schönbrunner Straße steht es auch im tiefen Winter auf der Tagesordnung.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Knuspriges Spanferkel und Lamm – egal ob warm oder kalt, dazu empfehlen sich frisch geröstete, mit dem extrafetten Rahm Kajmak gefüllte Lepinja (Fladenbrot), scharfe Pfefferoni vom Grill und eingelegtes Gemüse.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Essen und Feuer, das gehört untrennbar zusammen. Paläontologen wissen das sowieso, Netflix-Foodies detto – spätestens seit der legendären Chef's Table-Folge über den machistischen Gentleman-Starkoch Francis Mallmann aus Patagonien und seine spektakulär raffinierten Asados. Aber auch sonst haben Fine-Dining-Chefs von Stockholm bis San Francisco, vom Baskenland bis New South Wales die archaische Faszination und den einzigartigen Geschmack wiederentdeckt, den das Garen über offener Flamme mit sich bringt.

In Zeiten, da der Besuch von Gourmettempeln immer mehr zu einer Prüfung des Erinnerungsvermögens verkommt (schon bei der Ausgangstür hat man oft vergessen, was da außer Firlefanz und prätentiös pinzettierten Arrangements eigentlich am Teller war), verspricht das Essen aus der Glut ein distinktives Geschmackserlebnis ebenso wie große Atmosphäre. Nur bei uns wartet man weiterhin auf einen großen Koch, der sich als Hüter der Flamme versteht.

Spanferkel und Lamm

Gern wird in diesem Fall die Klage über die allmächtige Bürokratie im Land laut, die Fülle an Verordnungen und Auflagen, die so eine offene Feuerstelle im Lokal hierorts leider unmöglich mache. Mag schon sein, nur: Wie kommt es dann, dass eine serbische Gastronomenfamilie in Wien nun schon das dritte Lokal betreibt, in dem sich ganz routinemäßig Spanferkel und Lamm über der Glut drehen, während am Holzkohlengrill massive Fleischbrocken brutzeln? Vielleicht sollten sich ambitionierte Feuerköche einfach vertrauensvoll an Katarina und Predrag Barnic wenden – die wissen nämlich, wie es geht.

Mit dem Semendria auf der Schönbrunner Straße betreiben die beiden bereits das dritte Restaurant mit offener Glutgrube, die anderen beiden sind in der Koppstraße und der Lugner City. In Strasshof gibt es ein weiteres, auf Take-away-Grill fokussiertes Outlet. Das große Gourmeterlebnis darf man sich an diesen Orten nicht erwarten, dafür bleibt einem das Essen aber über Stunden sehr präsent im Magen.

Spanferkel und Lamm werden allmorgendlich über die Glut gehängt, damit sie pünktlich zu mittag knusprig und saftstrotzend fertig sind. Das dünne Schwartel kracht wie Crème brûlée, das Fleisch fällt löffelweich vom Knochen. Wer später kommt, wird mit ausgekühltem (und immer noch knusprigem) Fleisch versorgt – der abendlichen Nachfrage folgend, scheint das unter Serben sogar die bevorzugte Art des Genusses zu sein. In beiden Fällen empfehlen sich frisch geröstete, mit dem extrafetten Rahm Kajmak gefüllte Lepinja (Fladenbrot), scharfe Pfefferoni vom Grill und eingelegtes Gemüse (siehe Bild).

Cordon vom Grill

Wem die deutlich animalischen Aromen dieser Herrlichkeiten zu viel sind, hält sich an Schopfbraten oder Raznici vom Hendl, oder auch an Punjena vesalica, eine massive Schnitte vom Schweinskarree, die mit Speck und Käse gefüllt und mit Schweinsnetz umwickelt ist, auf dass sie am Grill knusprig aber auch saftig werde – großartig.

Die üblichen balkanesischen Verdächtigen, von Cevapi (Rind und Kalb gemischt) über Pljeskavica bis zur leicht geräucherten Grillwurst Domaca kobasica sind freilich auch zu haben, deftige Sarma-Krautrouladen ebenso. Auf Vorbestellung können auch schwergewichtige Verrücktheiten geordert werden – die Facebookseite des Restaurants hält etwa amüsante Bilder einer Pljeskavica-Pizza vorrätig, für die ein Kilo Faschiertes auf Pizzagröße gebracht, gegrillt und dann fein säuberlich mit Bergen an Ajvar, Käse, Kajmak und anderen Deftigkeiten dekoriert wird.

Guten Wein aus Semendria gibt es auch, der unterstützt das Flutschen der gewaltigen Portionen im Zweifel auch besser als flüssiges Brot in Form von serbischem Bier. (Severin Corti, RONDO, 8.2.2019)

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