Mit "Europa spricht" wird Menschen mit gegensätzlichen Ansichten ein Raum gegeben, um Vieraugengespräche abseits medialer Debatten und fern vom parteilichen Lagerdenken zu führen.

Foto: Heribert Corn

740 Millionen Menschen. 50 Länder. Europas kulturelle Vielfalt ist gigantisch. Aber wann haben Sie das letzte Mal mit jemandem diskutiert, der nicht in Ihrem Land lebt? Und der dann vielleicht auch noch anderer politischer Meinung war als Sie? Ob beruflich oder privat: Wir neigen dazu, uns mit Gleichgesinnten zu umgeben und in unseren Landesgrenzen zu denken. Das führt zu Informationsblasen und sozialen Gräben in unserer Gesellschaft, die sich weit über unsere Heimat hinaus ziehen. So kommt es, dass wir uns von nationalen wie internationalen politischen Ereignissen immer wieder vor den Kopf gestoßen fühlen. Weshalb protestieren französische Arbeiter in gelben Westen auf den Straßen? Wieso stimmt eine englische Pensionistin für den Brexit? Warum ist "Blau" so stark in Österreich und in Deutschland "Grün" im Trend? Was bedeutet der von außen oft kritisierte politische Wandel Polens für dessen Einwohner? Und wie geht es den Griechen zehn Jahre nach der Finanzkrise heute wirklich?

"Europa spricht" bringt am 11. Mai 2019 tausende Europäer und Europäerinnen unterschiedlicher politischer Meinung zu persönlichen Gesprächen zusammen. Das Ziel: auf Augenhöhe über Themen zu diskutieren, die Menschen nicht bloß im eigenen Land bewegen – abseits medialer Debatten und jeweiliger Parteilager. Mehr als 17.000 Menschen haben sich europaweit registriert, gut 2.600 davon kommen aus Österreich.

Warum machen wir das?

"Europa spricht" ist ein Versuch, jene gesellschaftlichen Bruchlinien zu überwinden, die Europäer und Europäerinnen unterschiedlichster Herkunft und Lebenssituation heute trennen. Ein Versuch, der im Rahmen des Projekts My Country Talks² von mehr als einem Dutzend europäischer Medien unternommen wird. Beteiligt sind unter anderem DER STANDARD aus Österreich, "Financial Times" aus Großbritannien, "Zeit online" aus Deutschland, "Gazeta Wyborcza" aus Polen, "Efsyn" aus Griechenland, "La Repubblica" aus Italien, "Morgenbladet" aus Norwegen, arte.tv aus Frankreich und "Delfi" aus Estland.

Mit "Europa spricht" wird Menschen mit gegensätzlichen Ansichten ein Raum gegeben, Vieraugengespräche abseits medialer Debatten und fern vom parteilichen Lagerdenken zu führen.

Wie konnte man mitmachen?

Anmelden konnten sich alle Menschen, die in Europa leben, volljährig sind und idealerweise Englisch sprechen¹. Anmeldeschluss war der 10. April 2019. In einer Vielzahl von Artikeln auf derStandard.at fanden Sie dazu kleine Umfrageboxen. Mit der Beantwortung der darin gestellten Ja/Nein-Fragen, etwa zur nationalen Identität, zur Migrationen, zum Grenzschutz oder auch zur Klimapolitik, konnte man sich anmelden.

Ein Algorithmus setzt nach Ende der Anmeldephase Paare aus Teilnehmern und Teilnehmerinnen zusammen, die die Fragen möglichst unterschiedlich beantwortet haben und möglichst in einem benachbarten Land wohnen. Wurde ein Gesprächspartner oder eine Gesprächspartnerin gefunden, wird man per E-Mail verständigt. Und wenn beide Seiten zustimmen, bringen wir sie für ein Treffen am 11. Mai 2019 in Kontakt. Es steht einem dann frei, einander auf eigene Kosten persönlich zu treffen oder für einen Videochat zu verabreden. Gleichzeitig wird es an dem Tag ein "Europa spricht"-Festival in Brüssel geben, zu dem ausgewählte Paare eingeladen werden.

Europa spricht: So funktioniert die größte Diskussion Europas.
DER STANDARD

Was geschieht nach dem Treffen?

Wir laden Sie ein, uns und unseren Leserinnen und Lesern in anschließenden Erfahrungsberichten zu schildern, wie es war, einen anderen Europäer mit konträren Ansichten kennenzulernen. Zu welchen Erkenntnissen ist man gelangt? Konnte man einander gedanklich näherkommen, oder ist man im Streit auseinandergegangen?

Eine Auswahl der spannendsten Userbeiträge sowie redaktionelle Berichte werden ab dem 11. Mai online und in der Zeitung veröffentlicht. Denn wenn Europa spricht, sprechen Sie mit! Und wer weiß, vielleicht schaffen wir es damit ja tatsächlich, auf diesem vielfältigen Kontinent alle ein Stück näher zusammenzurücken und einander zumindest ein wenig besser zu verstehen. (Zsolt Wilhelm)