Christa Riedl-Dorn: "Ein uomo universale des 19. Jahrhunderts und sein wissenschaftliches Netzwerk", V&R unipress, 134 Euro, 1.115 Seiten, Erscheinungstermin: 18. Februar 2019.

Cover: V&R unipress

Wien – Auf das Konto von Stephan Ladislaus Endlicher (1804-1849) gehen nicht nur damals bahnbrechende Erkenntnisse in der Botanik. Der Wiener Forscher war auch Mitbegründer der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) – aus der er aber rasch wieder austrat. Die Wissenschaftshistorikerin Christa Riedl-Dorn vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien widmet dem Universalgelehrten ein neues Buch.

Tatsächlich gibt Endlichers Vita einiges her, immerhin 460 Briefe mit 93 Adressaten zählt alleine sein Teilnachlass im NHM, den Riedl-Dorn gesichtet, aufgearbeitet und unter dem Titel "Ein uomo universale des 19. Jahrhunderts und sein wissenschaftliches Netzwerk" vorlegt. "Er war sehr bedeutend auf sehr vielen Gebieten", so die Leiterin des Archivs für Wissenschaftsgeschichte im NHM.

"Immenses Wissen" auf unterschiedlichen Gebieten

Von der Theologie ausgehend, eignete sich Endlicher auch während seiner Tätigkeit an der Hofbibliothek, wo er ab 1828 arbeitete, ein "immenses Wissen" auf unterschiedlichen Gebieten an. Das bildete den Grundstock für wichtige botanische Werke, aber auch zur chinesischen Grammatik – die er etwa im Selbststudium erlernte -, in der Japanologie, der Altgermanistik, Philologie oder der Numismatik.

Auch für eine Zeit, als der Typus des Universalgelehrten noch präsenter war, sei Endlichers "Vielseitigkeit sicherlich außergewöhnlich gewesen", sagte Riedl-Dorn. 1836 wurde er Kurator für Botanik im NHM-Vorgänger, dem "k.k. Hof-Naturaliencabinet", 1840 Professor an der Uni Wien, Direktor des Botanischen Gartens und des von ihm gegründeten Botanischen Museums.

Forderung nach einer Akademie der Wissenschaften

Sehr eng war etwa der Kontakt mit dem deutschen Naturforscher Carl Friedrich von Martius, der Endlicher etwa dabei unterstützte, über den Umweg München anonym Artikel in Medien unterzubringen, die in Wien nicht durch die damals umfassende Zensur kamen, wie Ried-Dorn herausfand. Darin forderte Endlicher mehrfach die Gründung einer Akademie der Wissenschaften. Im Gegensatz zu anderen Ländern war die Monarchie spät dran, als es 1847 endlich so weit war. Wie kontrovers in wissenschaftlichen Kreisen schon damals diskutiert wurde, zeigt sich auch daran, dass der pointierte Akademie-Fürsprecher Endlicher kurz nach der Gründung auch gleich der erste Austritt aus der jungen, aber bereits zerstrittenen Institution war.

Das erweiterte Netzwerk des Universalgelehrten umfasste neben Wissenschaftern wie dem Germanisten Hoffmann von Fallersleben und zahlreichen Künstlern auch Fürst Metternich und nicht zuletzt Kaiser Ferdinand I., den Endlicher in Botanik unterrichtete. Gewissermaßen zu einer Zerreißprobe wurde das Revolutionsjahr 1848 auch für Endlicher, der sich einerseits für die Anliegen der protestierenden Studenten stark machte und gleichzeitig als Vermittler mit gutem Draht zum Kaiser auftrat, so Riedl-Dorn. Letztendlich hat sich der Wissenschafter aber von der Politik abgewandt, verlor nach dem Abdanken Ferdinands I. alle Ämter und starb kurz darauf verarmt im Jahr 1849.

Grundlegendes Vermächtnis

Endlichers Vermächtnis in der Botanik sei jedenfalls bis heute gültig und in manchen Bereichen grundlegend, Ähnliches gelte für die altgermanistischen Werke in Zusammenarbeit mit von Fallersleben, so die Wissenschaftshistorikerin. Während seiner Tätigkeit als Skriptor an der Hofbibliothek habe er neue systematische Einteilungen vorgenommen, die erst jetzt durch die fortschreitende Digitalisierung mancher Bestände abgelöst werden. (APA, 7.2.2019)