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PRO: Einen Aperol ist sie wert

von Colette M. Schmidt

Rund 30 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr Venedig, das selbst nur knapp 260.000 Einwohner hat. Der größte Teil der Besucher sind Tagestouristen, die nicht einmal die bei einer Nächtigung anfallende Kurtaxe zahlen müssen. Eine Nebensaison gibt es in der Stadt nicht. Man reibt sich in der Altstadt auch im Novembernebel und sogar bei Acqua alta an anderen Touristen – und fährt dennoch immer wieder hin.

Dass in einer Stadt, die nicht nur weltweit ungewöhnlich viele Kulturschätze beherbergt, sondern auch noch ständig der Naturgewalt des Wassers ausgesetzt ist und buchstäblich abzusaufen droht, bisher kein Eintrittsgeld verlangt wurde, ist eigentlich ein Wunder. Man muss den amtierenden Bürgermeister Luigi Brugnaro nicht sympathisch finden, um die von ihm angekündigte Maßnahme als sinnvoll zu erkennen. Zumindest dann, wenn das Geld tatsächlich, wie von Brugnaro behauptet, in die Instandhaltung und Reinigung der Stadt fließen wird.

Die Gebühr von drei Euro, die ab Mai eingehoben werden soll und je nach Besucherzahl höher, aber auch niedriger werden kann, kann man auch flott mit einem Aperol Spritz vernichten – so man ihn nicht gerade am teuren Markusplatz trinkt. Als Abgabe für die Stadt sind sie sicher nicht schlechter investiert. Man würde gern noch ein oder zwei Euro drauflegen, würde Brugnaro auch noch alle Kreuzfahrtschiffe, die wie Godzilla auf die Stadt zuschippern, aussperren. (Colette M. Schmidt, 6.2.2019)

KONTRA: Deppensteuer in Disneyland

von Sascha Aumüller

Bravissimo, Herr Bürgermeister! Mit der Ankündigung, ab Mai dieses Jahres Eintrittsgeld für Venedig zu verlangen, rückt Luigi Brugnaro die Stadt noch ein Stück näher in Richtung Disneyland. Genau das wird aus einem Ort, der ständig Einwohner verliert, Besucher dieser Kulisse aber weiterhin aussackelt.

Brugnaro müsste dafür nur nach Civita di Bagnoregio schauen. Mindestens drei Euro Eintritt pro Nase werden in dem Ort im Latium kassiert, wie es auch für Venedig geplant ist. Seither nehmen die verbliebenen Bewohner nur noch insofern am Wirtschaftsleben teil, als sie Touristen gegen ein Extrakörberlgeld Haus und Garten zeigen.

Soll Brugnaro ruhig ein generelles Einlaufverbot für Kreuzfahrtschiffe aussprechen, wenn dadurch nur ein paar Venezianer mehr in der Stadt wohnen bleiben. Doch um die Sorgen der Anrainer geht es dem Unternehmer, der Venedig seit 2015 regiert, ohnehin nicht. Allein die Kreuzfahrtschiffe, weiß er, bringen jährlich rund 500 Millionen Euro ein. Also lässt er die Passage rund um die Altstadt demnächst nur für die ganz dicken Kolosse sperren.

Kein Passagier und kein Tagesgast wird sich wegen ein paar Euro Eintrittsgeld vom Ausflug in die Lagune abhalten lassen. Das weiß auch Brugnaro, er muss sogar auf möglichst viele Touristen hoffen. Denn je mehr in die Stadt kommen, umso teurer wird das Tagesticket. Erst wenn es dort richtig voll ist, bringt ihm das zehn Euro pro Nase. (Sascha Aumüller, 6.2.2019)