Herr O. liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht im Krankenhausbett. Erst am Vortag wurde er nach einem Beinbruch operiert, jetzt soll er erste Schritte wagen. Dass er Schmerzen hat, kann er mühelos auf Deutsch ausdrücken – zu erklären, wie intensiv sie sind oder ob sie aber von der falschen Lagerung des Beins kommen, fällt ihm auf Türkisch leichter. Physiotherapeutin Daniela Seifert nimmt ihr Telefon zur Hand und hat in wenigen Augenblicken Unterstützung an der Strippe: eine Sprachmittlerin, die auf Seiferts Anweisungen Herrn O. erklärt, was er nach der Operation beachten muss, und der Therapeutin Herrn O.s Schmerzen beschreibt.

Das Video zeigt, wie Triaphon im Orthopädischen Spital Speising eingesetzt wird.
DER STANDARD

Seit drei Monaten arbeitet das Orthopädische Spital Speising in Wien mit dem Berliner Dolmetschdienst Triaphon zusammen. "Triaphon ist eine gemeinnützige Dolmetschhotline", führt Gründerin Lisanne Knop aus. Gemeinsam mit Korbinian Fischer hat sie die telefonische Soforthilfe aufgebaut. Beide sind als Ärzte tätig und haben selbst erlebt, wie Sprachbarrieren medizinische Hilfe behindern können.

"Mit Pantomime stößt man in der Notaufnahme an seine Grenzen", sagt Knop, die als Ärztin in einer Berliner Kinderklinik arbeitet. "Es braucht oft wenige, aber wichtige Informationen, um medizinisch arbeiten zu können", ergänzt Fischer, er hat die Ausbildung zum Allgemeinmediziner unterbrochen und arbeitet im Augenblick Vollzeit für Triaphon. Viele Ärzte kennen das Problem, wenn sie Patienten behandeln, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben: Oft fallen ihnen in der Stresssituation die richtigen Vokabeln nicht ein.

Als Knop in den USA ein Praktikum machte, fiel ihr auf, dass dort Sprachbarrieren kaum eine Rolle in der Behandlung spielten, denn jegliche Schwierigkeiten beim Erstkontakt wurden mittels Sprachtelefon abgefangen. Zurück in Deutschland, wollte sie Ähnliches auf die Beine stellen und fand mit Fischer den geeigneten Partner, um das in Europa umzusetzen.

Niederschwelliges Angebot

Dass es jetzt die Übersetzung per Knopfdruck in einem Wiener Spital gibt, erklärt David Pötz, Geschäftsführer des Orthopädischen Spitals Speising, damit, dass er nach einem niederschwelligen Angebot gesucht habe. Durch einen Medienbericht sei er dann auf Triaphon gestoßen. Zunächst wurde das System in der Kinderabteilung getestet. Vor allem im Pflegebereich und bei Entlassungsgesprächen habe es wertvolle Dienste geleistet, um den Eltern genau zu erklären, welche Belastungen erlaubt sind.

Was Pötz gut gefällt, ist, dass Triaphon mit ehrenamtlichen Sprachmittlern zusammenarbeite. "Da wir selbst ein gemeinnütziges Krankenhaus sind, passt das gut zu uns", erklärt der Spitalsmanager. Außerdem sei es dadurch leistbar für das Krankenhaus, sie können den Übersetzungsservice breit anbieten.

Dolmetschen im Notfall

Etwa 200 Sprachmittler arbeiten für Triaphon. Aktuell werden Türkisch, Russisch, Vietnamesisch, Rumänisch, Arabisch, Farsi und Bulgarisch angeboten. Weitere Sprachen sind geplant. Wer Sprachmittler werden will, muss ausreichende Sprachkenntnisse vorweisen und medizinische Vokabeln kennen. "Sie sollen keine Dolmetscher ersetzen, der Dienst ist primär für Akutsituationen gedacht, um beim Einschätzen eines Notfalls zu helfen und schnell reagieren zu können", sagt Fischer.

Herr O. ist mittlerweile aufgestanden. Therapeutin Seifert und die Übersetzerin am Telefon geben ihm abwechselnd Anweisungen, wie er sein Bein belasten darf. (Marie-Theres Egyed, Andreas Müller, 8.2.2019)