Nicht nur ein Junior, auch noch Little war Herman Parker. Oder Herbert Parker. So genau weiß man das nicht.

Universal

Seine Spezialität sind fette Schleicher im Midtempo. Aus denen bricht er immer wieder aus, meist nach oben; das Kraftzentrum seiner Songs bilden aber eine saftige Bass- und eine ebenso im Saft stehende Snare-Drum. Sie prägen viele Songs des Junior Parker, seine besten sowieso.

Junior Parker ist ein etwas mysteriöser Typ. Zwar hat der ob seiner geringen Höhe Little gerufene Junior Parker mit Mystery Train einen der Standards des Rock 'n' Roll geschrieben, dafür ist aber vergleichsweise wenig über ihn bekannt. Man weiß nicht einmal genau, ob er eigentlich Herman oder Herbert hieß. Wann er geboren wurde? Je nach Quelle zwischen 1927 und 1932.

Das Original von Mystery Train (1953) – von Little Junior's Blue Flames.
Amnondoowop

Klar ist, wann er starb. Am 18. November 1971, im Alter von – na ja – man hat sich auf 39 Jahre geeinigt. Die Ursache war ein Gehirntumor. Der hat diesen genialen Borderliner zwischen Blues und Soul erwischt.

Das ist mit ein Grund, warum verlässliche Informationen über den Mann rar sind. Mehr als ein paar Linernotes auf seinen Alben oder in irgendwelchen Kompilationen sind selten. Selbst in alten Bluesmagazinen aus den 1960ern taucht Parker, wenn überhaupt, nur in den Randspalten auf. Beste Voraussetzungen für eine Würdigung in diesem Blog.

Auf Tour mit dem Wolf

Parker stammte aus einem Kaff in Mississippi. Andere Quellen behaupten West Memphis, dort ist er zumindest aufgewachsen. Er durchlief die klassische Schule vieler schwarzer Musiker. Also eher keine wirkliche, dafür den Kirchenchor, und irgendein Verwandter kannte sicher einen Musiker, der einem den Blues beibrachte. In Parkers Fall war das Sonny Boy Williamson. Der nahm den Teenager Parker unter seine Fittiche, Ende der 1940er soll Parker dann sogar mit Howlin' Wolf gespielt haben und getourt sein.

Junior Parker nimmt Willie Nelson in den Schwitzkasten: Funny How Time Slips Away.
JJIB4FORLIFE

Der Weg des Wolf führte Parker nach Memphis. Dort wurde er den Musikern der Beale Street eingemeindet. Schon damals soll er ein Idiom besessen haben, das ihm Vergleiche mit Honig einbrachte. Eines seiner Alben heißt demgemäß Honey-Drippin' Blues.

"Mystery Train" als vergebene Chance

Bei Sun Records nahm er Anfang der 1950er drei Singles auf. Darunter waren die Songs Feelin' Good, Love My Baby und Mystery Train – das wurde der schon erwähnte Rock-'n'-Roll-Klassiker, den von Elvis über The Band bis Neil Young jeder einmal gespielt hat. Dass Jim Jarmusch in seinem gleichnamigen Film einen Song von Bobby Bland, nicht aber von Junior Parker verwendet hat, nenne ich eine verpasste Gelegenheit.

Apropos Bobby Bland: Zu der Zeit lernte Parker einen artverwandten Typen kennen – eben den. Die beiden wurden Freunde und tourten zusammen. Es gibt ein berühmtes Foto, das Parker, Bland und Elvis zeigt: Beale Streeters, alle drei.

Links von Elvis: Junior Parker, rechts von ihm Bobby Bland.

Als Bland zu Duke Records rüber nach Texas ging, folgte Parker ihm nach. Gemeinsam betrieben sie eine erfolgreiche Blues-Revue namens Blues Consolidated. 1958 erschien eine Kompilation der beiden als Longplayer. Bland und Parker blieben ein Leben lang Freunde.

Doch Parker erwies sich als unstet. Seine Hits waren eher regionale Phänomene, dazu geriet der Blues in den 1960ern ein bisserl aus der Mode – bis auf die eingeschworenen Kreise des Chitlin' Circuit und diverse Labels rauf bis Chicago, die dem Blues die Treue hielten.

Vorbild für die "Blues Brothers"

Andererseits konnte Junior Parker nachjustieren. Als Soul explodierte, zeigte sich, dass er das natürlich auch kann, wenngleich seine Songs mindestens bis zur Hüfte tief im Blues hängenblieben und sich manchmal einen unterschwelligen Rockismus bewahrten. Dazu kamen knappe Bläser und Parkers Gespür für die richtige Dosis seiner Zutaten.

Die Geschichte des Outside Man – Junior Parker.
Antony Rosano

Seine Bands waren meist um die sieben Mann stark. Junior sang und spielte die Harmonika. Und zwar knapp, lieber zu wenig als zu viel. Dabei hat er einen ganzen Aktenkoffer voll Harmonikas mit sich herumgetragen. Damit soll er das Vorbild für einen Gag in John Landis' Film Blues Brothers gewesen sein, in dem Jake Blues seinem Bruder Elwood eine Kette aufsperrt, mit der sein Handgelenk Geheimagenten-mäßig mit einem Koffer verbunden ist: Als er den öffnet, ist eine Mundharmonika drinnen.

Liebe ist auch nur ein Geschäft. Als Rechnung gibt's den Blues.
incrediblecHiller

Ende der 1960er hatte Junior Parker dann einen Lauf. Auf Minit Records erschien das Album Blues Man. Viele Songs darauf waren Grenzgänge zum Soul. Diesen Balanceakt setzte er auf Arbeiten wie The Outside Man fort oder auf You Don't Have To Be Black To Love The Blues oder The Dudes Doin' Business.

Immer am Sprung

Letzteres war eine Kollaboration mit dem Organisten Jimmy McGriff – eine fettes Monster von einem Album. Parker wirkt darauf wie immer: elegant, verführerisch, wissend – und dabei immer ein Sir, alte Schule. So sehr seine Musik groovt, er behält immer die Contenance. Er ist kein Shouter, er serviert wie der Outside Man, den er besingt: ein geheimer Lover, immer am Sprung Richtung Tür, es könnte ja jederzeit der Gatte heimkommen.

Auf den Spuren von O. V. Wright: Drowning On Dry Land.
Maddy Tube

Sein letzter Chartseintrag soll Drowning On Dry Land gewesen sein. Ein Titel, den der große O. V. Wright zuvor schon gesungen hatte. Parker machte daraus ein schleichendes Funk-Stück.

Take Me To The River

Zu der Zeit soll er bereits über Schwindel und Kopfschmerzen geklagt haben, Shows wurden abgesagt, dann kam die Diagnose. Während der Operation ist Junior Parker gestorben. Al Green beginnt seine Version von Take Me To The River mit einer Widmung an "Little Junior Parker", der ein Cousin von ihm gewesen war.

Die meisten Alben dieses Mannes aus der dritten Reihe sind bis heute noch leicht und in gutem Zustand und um leicht verkraftbare Summen zu bekommen. Welche? Geschmackssache, aber ein schlechtes wird man nicht finden. Denn eigentlich gehört der Mann nach vorne, in die erste Reihe. (Karl Fluch, 12.2.2019)