Matteo Salvini sieht die Zeit gekommen, um höhere Weihen zu empfangen: das Amt des Ministerpräsidenten.

Foto: ansa / riccardo antimiani

Vor zehn Jahren hatte ein starkes Erdbeben die Region Abruzzen und ihre Hauptstadt L'Aquila erschüttert; es gab über 300 Tote, 67.000 Menschen wurden obdachlos. Am Wochenende ereignete sich in der Region ein neues Erdbeben, diesmal ein politisches: Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, die bei der nationalen Wahl vor knapp einem Jahr mit Abstand stärkste Partei geworden war, verlor bei der Regionalwahl die Hälfte ihrer Stimmen. Siegerin wurde eine von der rechtsnationalen Lega angeführte Allianz mit ihrem Kandidaten Marco Marsilio von den postfaschistischen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens).

Wie vor zehn Jahren sind auch beim neuen, politischen Erdbeben die Erschütterungen bis nach Rom gedrungen. Denn das Wahlresultat bestätigt, was auch die nationalen Umfragen nahelegen: Statt der heutigen populistischen Regierungskoalition aus den Fünf Sternen und der Lega wäre auch eine andere Konstellation denkbar – eine neue Mitte-rechts-Regierung unter Führung der Lega mit der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi und den Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni. Die Alternative hatte sich schon bei den Lokalwahlen im Friaul und in Südtirol im vergangenen Jahr abgezeichnet, wo ebenfalls Mitte-rechts-Koalitionen gewannen.

Weiterer Aufschwung für Rechtsparteien

Im wirtschaftlich starken Norden waren die Rechtsparteien schon immer stark und die Fünf Sterne schwach. In den Abruzzen hingegen hatte die Protestbewegung bei der nationalen Wahl im März 2018 40 Prozent erreicht – diesmal blieben gerade einmal knapp 20 Prozent übrig. Für die Grillini ist das Debakel von L'Aquila ein Alarmsignal: Es belegt, dass die Protestbewegung auch in ihren bisherigen Hochburgen in Mittel- und Süditalien massiv an Zustimmung eingebüßt hat. Die Wahl ist der Beweis, dass ein großer Teil der Protestwähler die Art und Weise, wie sich ihre Bewegung vom rechtsradikalen Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini die Agenda diktieren lässt, nicht goutiert.

"Die absolute Priorität hat der Wiederaufbau", meinte Abruzzen-Wahlsieger Marsilio. Er spielte dabei auf den Wiederaufbau der zerstörten Orte an, der noch immer nicht abgeschlossen ist. Aber er meinte auch den Wiederaufbau des Mitte-rechts-Lagers nach dem "Verrat" Salvinis, der sich im Juni 2018 auf nationaler Ebene mit den Fünf Sternen ins politische Lotterbett gelegt und so eine Regierung gezimmert hatte.

Auch Berlusconi zündelt

"Die Wahl in den Abruzzen hat einmal mehr gezeigt, dass für unsere Wähler das Mitte-rechts-Bündnis die natürliche Koalition darstellt – und dass diese Koalition siegreich ist", betonte auch der greise viermalige Ex-Premier Berlusconi. Die "Dilettanten" der Fünf Sterne, die nur den Sozialneid schürten und das Land blockierten, müssten so schnell wie möglich von den Schalthebeln der Macht verjagt werden.

Für ein baldiges Ende der Regierung in Rom spricht auch der Umstand, dass sich die Gemeinsamkeiten von Lega und Protestbewegung inzwischen erschöpft haben. Außer in ihren Propagandaattacken gegen Frankreich und die EU sowie gegen die unabhängigen inländischen Aufsichtsorgane sind die beiden Regierungspartner in praktisch allen politischen Fragen unterschiedlicher Meinung. Vor allem bezüglich der Realisierung großer Infrastrukturprojekte sind die Differenzen unüberbrückbar.

Und im Senat wartet in diesen Tagen die Abstimmung über die Aufhebung der Immunität Salvinis im Fall des Flüchtlingsschiffs Diciotti: Um Salvini vor einem Prozess wegen Freiheitsberaubung dutzender Migranten zu retten, müssten die Grillini ein weiteres ihrer Ideale über Bord werfen.

Projekt "Salvini Premier"

Salvini versicherte zwar, dass "die Fünf-Sterne-Bewegung nichts zu befürchten" habe – aber das bedeutet wenig. Der Innenminister, der mit jedem Tag, an dem er seinen Koalitionspartner vorführt, populärer wird, hat keine Eile. Sollte sich aber bei der Europawahl Ende Mai das Resultat der Abruzzen bestätigen (was laut den Umfragen wahrscheinlich ist), dann könnte der Lega-Chef der Regierung "den Stecker ziehen" und mit einigen Überläufern der Fünf Sterne oder nach Neuwahlen eine neue Mitte-rechts-Regierung bilden.

Und so endlich sein Ziel verwirklichen, auf das er schon seit Monaten beharrlich hinarbeitet und das auf jedem Wahlplakat der Lega geschrieben steht: "Salvini Premier". (Dominik Straub aus Rom, 12.2.2019)