Ismaël Emelien muss abtreten.

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Man nennt sie "die Mormonen". Gemeint ist die kleine Gruppe junger Berater, die Emmanuel Macron nach seinem Wahlsieg 2017 in den Elysée-Palast mitbrachte. Öffentlich treten sie kaum je in Erscheinung, und wenn man sie einmal im Pullover, das iPhone am Ohr, über den Kieshof des Präsidentensitzes eilen sieht, dann wirken sie nicht wie die höchsten Machtträger im Staat. Und doch dirigieren sie Frankreich seit anderthalb Jahren.

Ihr Hauptvertreter ist Ismaël Emelien. Der Name dürfte den meisten Franzosen nichts sagen. Der 31-jährige Werbefachmann wirkt noch heute wie ein leicht zerstreuter Student der Pariser Politikuniversität Sciences Po, die er mit 23 absolviert hatte. Danach arbeitete er in einer Werbeagentur, die heute zum Havas-Konzern gehört, und beriet dabei unter anderen den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro.

Seine Berufung entdeckte der junge Mann aus Grenoble aber dank Macron. Zusammen mit einigen begeisterungsfähigen Eliteschulabsolventen baute er die Bewegung En Marche mit den Initialen von Emmanuel Macron auf. Er holte die erfolgreiche Tür-zu-Tür-Kampagne von US-Präsident Barack Obama nach Frankreich und verpasste Macron den Ruf eines unkonventionellen Jungpolitikers, der sein Wahlbekenntnis in Buchform "Révolution" nannte.

Imagepflege

Einmal im Elysée, betrieb Emelien weiter Imagepflege. Von ihm stammen, wie Insider berichten, einige der bekanntesten Macron-Aussagen: Als Staatschef sei man der "Erste der Seilschaft", und das französische Sozialsystem verbrenne ja einen "Wahnsinnszaster".

Erfahrene Stimmen wie Ex-Premierminister Jean-Pierre Raffarin – selbst ein ehemaliger Werbemann – warnten, solche Sprüche könnten dem Präsidenten als abgehoben ausgelegt werden. Doch die Macron-Boys fühlten sich unbesiegbar, brachte doch Macron eine Reform nach der anderen durch.

Erst als die Stimmung Mitte 2018 umschlug und der Präsident in den Meinungsumfragen absackte, gerieten die "Mormonen" in die Kritik. Die Gelbwestenkrise macht Macron schwer zu schaffen; heute schlingert er zwischen einem sozialpolitischen Kuschelkurs und harten Polizeieinsätzen.

Benalla-Affäre

Am Montag hat Emelien durch eine Indiskretion des Wochenmagazins "le point" angekündigt, dass er im März sein Amt als "conseiller spécial", als Macrons Spezialberater, aufgeben werde. Als Grund gab er an, er wolle ein Buch über progressive Ideen schreiben, was mit seinem Job unvereinbar sei. Das klingt reichlich aufgesetzt: Einen solchen Machtposten, mit dem die einflussreichsten Minister im Land nicht rivalisieren können, wirft man nicht mit 31 hin, um ein Buch zu schreiben.

Die Frage ist nur, ob Emelien von sich aus "das Schiff verlässt", wie die Zeitung "Le Parisien" schreibt, oder ob ihn Macron in die Wüste schickt. Letzteres hat einiges für sich. Emelien ist mitverantwortlich dafür, dass die Affäre um Macrons ehemaligen Sicherheitsmann Alexandre Benalla nach Monaten weiterschwelt. Auf einer heimlich erstellten, vom Enthüllungsportal "Mediapart" veröffentlichten Tonaufnahme rühmte sich der Ex-Leibwächter zudem der Unterstützung durch "Isma", wie Emelien intern genannt wird.

Dritter Abgang

Damit war er nicht mehr tragbar. Emelien ist bereits der dritte, obschon einflussreichste "Mormone", der binnen kurzem abtritt. Im Jänner hatte schon der Informationschef des Elysée-Palasts, Sylvain Fort, aus "persönlichen Gründen" den Hut genommen. Macrons politischer Berater Stéphane Séjourné wird nun in die Kampagne für die Europawahl geschickt. Und über dem Generalsekretär des Elysée, Alexis Kohler, hängt eine Gerichtsklage wegen familiärer Begünstigung. Ersatz hat Macron noch für keinen gefunden. (Stefan Brändle, 12.2.2019)