In vielen Forschungsfeldern gibt es eine zumindest empfundene Hierarchie der Wertschätzung. Das kann von abschätzigen Kommentaren aus der quantitativen Forschung gegenüber der qualitativen reichen bis hin zu einer Grundskepsis von naturwissenschaftlich Forschern gegenüber Sozialwissenschaften – oder umgekehrt.

"Die Wertschätzung heißt nicht nur: Ich finde toll, was du machst. Da geht es natürlich auch darum, Fördergelder zu bekommen, zu publizieren und Karriere machen zu können", sagt Hanna Worliczek, Biologin und Wissenschaftshistorikerin in Wien. Ihr aktuelles Ziel ist es, solche Dynamiken in Bezug auf deskriptive Forschung untersuchen, genauer: Wie wurde sie im Feld der Zellbiologie von den 1950er-Jahren bis heute beurteilt?

Einst standen die beiden Forschungsweisen hier verhältnismäßig gleichwertig nebeneinander. Die deskriptive Forschung auf der einen Seite, die sich mit dem Beschreiben von Zellstrukturen befasst und dabei vor allem mikroskopische Methoden anwendet. Auf der anderen Seite ist die Analyse der Mechanismen und Funktionen aus der Biochemie und Biophysik heraus betrachtet. Letztere wurde mit der Zeit als immer wichtiger eingestuft.

Deskriptive Forschungsarbeiten

"Mitte der 1970er-Jahre gab es zum Beispiel in der Redaktion der Fachzeitschrift "Journal of Cell Biology" eine ganz klare Vorgabe: Rein deskriptive Arbeiten werden nicht zur Publikation akzeptiert", so Worliczek.

Dabei sind viele dieser Untersuchungen und Methoden so komplex, dass sie nicht nur ein kleiner Teil eines Projekts sein können, sondern viel Aufmerksamkeit und Expertise brauchen. Dennoch baut man bisweilen statistische Berechnungen ein, obwohl sie teilweise wenig aussagekräftig sind – nur damit eine Arbeit nicht als "rein deskriptiv" abgestempelt wird.

Dabei werden immer wieder Stimmen laut, die eine neue Welle deskriptiver Studien fordern. Sie seien für Innovation notwendig, alte Beschreibungen müssten zudem mit neuen Methoden aktualisiert werden. Auch die ÖAW zeigt Interesse, kürzlich erhielt Worliczeks Projekt den Bader-Preis für die Geschichte der Naturwissenschaften 2018.

Interviews als Grundpfeiler

Ein Grundpfeiler werden dabei Interviews mit relevanten Forschenden sein – jenen, die sich gegen ausschließlich deskriptive Papers aussprechen, aber auch solchen, die aufgrund derartiger Einschränkungen Ablehnung erfahren haben. Das umfangreiche Fachwissen kommt ihr dabei zugute, denn die 1980 in Wien geborene Worliczek promovierte selbst in Mikrobiologie und Genetik und leitete bis 2014 am Institut für Parasitologie der Vetmed eine Forschungsgruppe.

Langfristig hat es sie nicht im Labor gehalten: Im Anschluss besuchte sie das FWF-Doktoratskolleg zu Naturwissenschaften in historischen, philosophischen und kulturellen Kontexten, und in Kürze wird die Doktorarbeit über Fluoreszenzmikroskopie in Geschichte eingereicht.

"Die Fragestellungen aus der Geschichte sind es, die mich antreiben und begeistern. Und ich interagiere weiterhin mit Forschenden aus den Naturwissenschaften. Die praktische Arbeit in der Biologie vermisse ich nicht – höchstens am Mikroskop zu sitzen und mich im Visuellen zu verlieren." (Julia Sica, 17.2.2019)