Im Bootshaus am Traunsee, dem einzigen nominierten Restaurant Österreichs für The World Restaurant Awards, serviert man Zunge, Hirn und Blut vom Rutzenmooser Biolamm.

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"Wir wollen Unvergleichbares nicht vergleichen." Andrea Petrini über die Vision der "The World Restaurant Awards".

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"Ich habe mitgeholfen, ein Monster zu erschaffen." Joe Warwick über die 50 Best.

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Die Jury der "The World Restaurant Awards" besteht zur Hälfte aus Frauen. Darunter Clare Smyth, "Best Female Chef" 2018 der 50 Best.

Foto: World Restaurant Awards

Auf die Frage, ob die Welt tatsächlich noch einen weiteren Gastronomie-Preis braucht, antwortet Andrea Petrini: "Davon bin ich überzeugt. Denn was wir machen, unterscheidet sich radikal von allen existierenden Lokalführern und Listen", so der Mitbegründer der neuen "The World Restaurant Awards", die am 18. Februar erstmals in Paris verliehen werden.

Im Unterschied zu bestehenden Bewertungssystemen gebe es bei den neuen Awards nämlich keinerlei Ranking und somit auch keinen Wettbewerb im herkömmlichen Sinn, fährt Petrini fort. "In erster Linie wollen wir vermeiden, Unvergleichbares zu vergleichen. Und wir wollen die Leute dazu bewegen, anders zu denken. Ihnen also auch solche Restaurants näherbringen, die nicht in den üblichen Fine-Dining-Rahmen passen."

Freunderlwirtschaft

Anders als die in der Food-Welt sehr einflussreiche und gleichzeitig angeprangerte Liste "S. Pellegrino 50 Best Restaurant Awards". Laut Kritikern eine Freunderlwirtschaft auf internationalem Niveau.

Zu diesem Zweck also hat der italienische Food-Journalist mit Wohnsitz Frankreich mit seinem britischen Kollegen Joe Warwick diese neuen und nach dem Modell der Oscars vergebenen Auszeichnungen, die World Restaurant Awards, ins Leben gerufen. Der Aufruhr in der kleinen Welt der international gefeierten Spitzenköche und ihrer stetig wachsenden Fangemeinschaft blieb nicht aus.

Was freilich auch daran liegt, dass beide Herren zu den Bekanntesten und Einflussreichsten ihrer Branche zählen. So ist etwa Joe Warwick Autor eines Bestsellers namens Where Chefs Eat, der die Lieblingsrestaurants der Starköche auflistet; und Andrea Petrini gilt als regelrechter Königsmacher unter den Gastro-Journalisten, dessen Wohlwollen einem Koch zu weltweitem Ruhm verhelfen kann.

Für zusätzliche Aufmerksamkeit dürfte allerdings gesorgt haben, dass sowohl Warwick als auch Petrini ihr Gewicht in der internationalen Gastro-Szene einst im Dienste der gleichermaßen einflussreichen wie allein schon ihres Formats wegen umstrittenen Liste der World's 50 Best Restaurants einsetzten.

Erstgenannter als einer ihrer Gründer und Letztgenannter als sogenannter Chairman für Frankreich. Und dass beide vor wenigen Jahren eher in Unfrieden aus dem Team der Liste ausschieden und sich seither vor allem als deren Kritiker hervortun.

Die Besten, aber anders

So meint etwa Joe Warwick heute, dass er einst dabei mitgeholfen habe, ein Monster zu erschaffen. "Als wir die 50 Best ins Leben riefen, war die Idee, dass sich darin genauso gut ein Fish & Chips-Stand in Manchester finden kann wie Alain Ducasse' Louis XV in Monte-Carlo. Doch mit den Jahren entwickelte sich die Liste zu einer Aufreihung der angesagtesten Lokalen, bei denen es sich in der Regel um Drei-Sterne-Anwärter handelt. Und die ausschließlich sauteures und schickes Essen servieren." Deswegen wolle er mit den neuen The World Restaurant Awards zurückkehren zu den Wurzeln – und zu deutlich mehr Spaß.

Für diesen sollen ganz offensichtlich jene Kategorien sorgen, die unter dem Titel Small Plates zusammengefasst sind. Und in denen unter anderem Auszeichnungen vergeben werden für den Küchenchef mit den wenigsten Tattoos oder auch für die beste "Pinzettenfreie Küche".

Dass das vor allem ironisch gemeint ist und darauf abzielt, einige in der Branche allzu verbreitete Trends aufs Korn zu nehmen, scheint zwar eindeutig, wurde aber nicht von allen so verstanden. So hat etwa ein für Ironie offenbar besonders immuner unter den Küchenchefs vollen Ernstes die Frage gestellt, wie jemand, der ihn noch nie nackt gesehen habe, denn über seine Tätowierungen urteilen könne?

Ein österreichisches Lokal nominiert

Ernster gemeint sind da schon die sogenannten Big Plates, die sich in Kategorien wie "Ethisches Denken", "Originalität", "Dauerhafter Klassiker" oder "Abgelegenes Restaurant" unterteilen. Unter den Nominierten in letztgenannter Sparte findet sich übrigens der einzige österreichische Anwärter, nämlich das Restaurant Bootshaus im aus heimischer Sicht gar nicht so abgelegenen oberösterreichischen Traunkirchen.

Gewichtiger als die Preise selbst scheint bislang aber eine ganz andere Neuerung zu sein, zu der man sich im Rahmen der Awards-Vergabe entschlossen hat. Nämlich die Einführung der Geschlechterparität in der Jury.

So wurde bereits im vergangenen Frühjahr und anlässlich der Präsentation des Konzepts verkündet, dass genau so viele Frauen abstimmen werden wie Männer. Wodurch man erreichen will, dass in der von Männern dominierten Branche die traditionell unterrepräsentierten Frauen endlich mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Dass es diesbezüglich Änderungen bedarf, hat offenbar auch die Konkurrenz erkannt, wie sich spätestens bei der Präsentation des Guide Michelin Frankreich vor wenigen Wochen zeigte. So bedachte der nach wie vor bedeutendste Lokalführer der Welt heuer gleich zehn weibliche Köche mit einem neuen Stern. Eine Entscheidung, die umso erstaunlicher ist, als man noch in der Vorjahresausgabe keine einzige Frau als eines zusätzlichen Sternegewinns für würdig erachtete.

Reagiert hat aber auch die Liste der 50 Best. Sie gab vor kurzem ebenfalls bekannt, dass man von nun an auf die Gleichstellung der Geschlechter in der Jury setzen werde. Womit man offenbar auf die wiederholte Kritik reagieren will, die sich die Liste dafür einhandelte, dass sich unter den bisher gereihten 50 besten Lokalen der Welt gerade einmal vier finden, deren Küchen von Frauen geleitet werden.

Frau steht alleine

Was die "50 Best"-Liste indessen nicht abschaffen wird, ist ihr umstrittener Preis für "The World's Best Female Chef" . In ihm sehen zahllose Kritiker einen eher kontraproduktiven Beitrag zur Problematik. Die Auszeichnung bewerte die Arbeit der Frauen von vorneherein in einer eigenen Kategorie und impliziere damit, dass Köchinnen sich nicht mit Köchen messen könnten, was viele als unsinnig und manche als sexistisch bewerten.

Sogar die aktuelle Preisträgerin, die Britin Clare Smyth, äußerte sich verwundert und betonte, dass ihr selbst die Idee, Männer und Frauen zu trennen, doch eher seltsam erscheine. "Andererseits muss auch irgendetwas geschehen, damit mehr Frauen in unserem Beruf Karriere machen und sich derartige genderspezifische Preise in Zukunft erübrigen", so die "Köchin des Jahres 2018", deren Restaurant Core im selben Jahr – und das sei auch erwähnt – in der Liste nicht unter den besten 50 der Welt rangiert. Ja es nicht einmal unter die besten hundert schaffte.

Dennoch scheint es ganz so, als hätten die Awards ein längst fälliges Umdenken eingeleitet in der Branche sowie bei den Medien, die über sie berichten, wenngleich Warwick eher zurückhaltend kommentiert. "Ob jetzt wirklich unsere Awards der Auslöser waren, wage ich nicht zu behaupten", so der Brite, "aber natürlich freut es uns, dass wir als Erstes eine Jury aus gleich viel Frauen wie Männern einsetzten. Und sollten andere unserem Weg folgen, dann freut uns das selbstverständlich auch."

Das alles bedeutet nun freilich noch lange nicht, dass die durch Jahrzehnte verkrusteten Zustände über Nacht aufbrechen werden. Denn auf anachronistische Weise männlich dominiert, bleibt die Branche vermutlich weiterhin, und zwar vor allem in der Küche. Dennoch scheint es ganz so, als wäre doch einiges in Bewegung geraten.

Und wenn es nur allein dafür eines neuen und zusätzlichen Gastro-Preises bedurfte, dann ist der auch herzlich willkommen. So sehen das zumindest die Mitglieder seiner 100-köpfigen Jury, zu der außer Journalisten (darunter der Autor dieser Zeilen) auch einige der bekanntesten Küchenchefs der Welt zählen. Unter ihnen etwa der Däne René Redzepi, die Spanierin Elena Arzak, die Slowenin Ana Ros sowie die Österreicher Konstantin Filippou und Heinz Reitbauer. (Georges Desrues, RONDO, 15.2.2019)

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