Tina Maze hat spät gelernt, mehr aus sich herauszugehen.

"Über die Jahre habe ich eingesehen, dass ich mich ein wenig verändern musste. Es war eine Chance, mich interessanter zu machen. Lindsey Vonn bekam so viel Aufmerksamkeit. Es half mir, mich in anderer Weise zu präsentieren, den Medien gegenüber offener zu sein und zu sagen, was ich denke."

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STANDARD: Während der WM in Åre arbeiten Sie für Eurosport im Bereich soziale Medien. Lenkt dieser nicht mehr wegzudenkende Bereich die Athleten von ihrer eigentlichen Aufgabe nicht zu sehr ab?

Tina Maze: Stars wie Marcel Hirscher haben jemanden, der sich um diese Arbeit kümmert, sodass er sich auf das Skifahren konzentrieren kann. Er ist einer der wenigen, die die Möglichkeit dazu haben, und das ist wichtig. Das ist der Grund, warum er seinen Fokus nicht verliert. Andere sieht man mit dem Telefon auf der Piste, auf den Sesselliften, das ist sehr schlecht. Man soll nicht immer auf das Telefon schauen. Für bestimmte Athleten braucht es eine Person, die das übernimmt, um eine gute Produktidentität zu schaffen. Soziale Medien sind sehr wichtig, aber es ist auch wichtig, zu verstehen, wo die Grenzen sind. Wenn ich mich während der Karriere damit beschäftigt hätte, wäre meine Performance um 20 Prozent gesunken.

STANDARD: Sie haben Kinderpädagogik in Maribor studiert und sind ausgebildete Lehrerin für Sekundärschulen. Zu welchem Thema haben Sie Ihre Diplomarbeit geschrieben?

Maze: Ich habe untersucht, welchen Einfluss das Mobiltelefon auf Kinder hat.

STANDARD: Zu welchem Schluss kamen Sie?

Maze: Dass es gute und schlechte Auswirkungen hat. Das Problem ist, dass am Beginn fast ausschließlich die positiven Seiten der Mobiltelefone und sozialen Medien gesehen wurden. Und die negativen Aspekte, die wir gänzlich erst in ein paar Jahren begreifen werden, nicht entsprechend beachtet wurden. Es wird noch viele Jahre dauern, bis man verstehen wird, welchen schlechten Einfluss das auf die Jugendlichen haben wird. Das Beste ist, ehrlich mit sich selbst zu sein. Einige Menschen haben mehr Geduld mit den negativen Auswirkungen, andere – so wie ich – weniger. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass ich mich nicht unterordnen will, sondern anderen helfen will, die negativen Folgen in Grenzen zu halten.

STANDARD: Sie haben zweimal Olympia-Gold, vier WM-Titel, Siege in allen Disziplinen und einmal den Gesamtweltcup gewonnen. Sie setzten mit ihre, "Team to aMAZE" auf ein Privatteam. Wären Ihre Erfolge in einem normalen Team überhaupt möglich gewesen?

Maze: Das ist auf einem derartigen Level unglaublich wichtig. In den ersten Jahren ist es gut, Teil eines Teams zu sein, um einen Vergleich mit den anderen Athleten zu haben und eine normale Entwicklung zu ermöglichen. Aber es geht auch anders, wie Mikaela Shiffrin beweist. Sie hat seit Beginn an ein eigenes Team um sich. Wenn du auf dem höchsten Level sein willst, dann ist der individuelle Ansatz fundamental. Wenn du älter, ein Athlet an der Weltspitze bist, dann benötigst du mehr, hast mehr Fragen. In einem großen Team ist es schwierig, dass du die entsprechende Unterstützung erhältst. Es gibt so viele Beweise, dass es mit Privatteams am besten funktioniert.

STANDARD: Egal ob Trainer, Betreuer, Servicetechniker – viele Funktionen im Skisport werden von Männern ausgeübt. Ein Problem aus Ihrer Sicht?

Maze: Für Sportlerinnen wäre es zwischen 15 und 25 Jahren essenziell, dass sie Frauen um sich haben, egal ob ihre Mutter, eine Freundin oder eine Physiotherapeutin. Damit man sich auch mal anvertrauen kann. Ich selbst habe viel gelitten zu der Zeit, hatte nur Männer um mich. Meine Mutter, meine Freunde waren zu Hause. Ich hatte meine Teamkolleginnen, aber sie sind nicht deine Freunde, mit denen du aufgewachsen bist. Es ist daher schwer, ihnen zu vertrauen. Sie sind gleich alt, du hast niemanden, der älter ist und auf dich aufpasst. Das wäre sehr wichtig für jedes Mädchen. Später dann, als mich meine Physiotherapeutin begleitete, war ich ausgeglichener. Es ist wichtig für uns, dass wir auch mal von Frau zu Frau sprechen können.

STANDARD: Und wenn nicht?

Maze: Innerlich schreiend verschließt du dich, du entwickelst dich nicht, blockierst dich selbst. Du brauchst Ausgeglichenheit im Leben, um Sicherheit zu bekommen, dich zu entwickeln. Nicht nur das Rennfahren und das Tore-Wegboxen. Du musst auch Spaß haben. Das Rennfahren ist eigentlich Männersache. Frauen interessieren sich auch für andere Dinge.

STANDARD: Vor sieben Jahren haben Sie für Aufsehen gesorgt, als Sie nach einer Überprüfung Ihrer Skiunterwäsche auf Luftdurchlässigkeit seitens der Fis einen Sport-BH präsentierten, auf dem stand: "Not your business" . Eine PR-Aktion?

Maze: Die Ausrüsterfirma hat neue Unterwäsche für Regenwetter entwickelt. Daher wollte die Fis sie prüfen. Die Regeln waren nicht klar formuliert, danach aber sehr wohl. Meine Reaktion war ironisch gemeint. Ich wollte Spaß machen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das war eine große Veränderung für mich, weil ich nicht die Person war, die solche Sachen macht. Über die Jahre habe ich eingesehen, dass ich mich ein wenig verändern musste. Es war eine Chance, mich interessanter zu machen. Lindsey Vonn bekam so viel Aufmerksamkeit. Es half mir, mich in anderer Weise zu präsentieren, den Medien gegenüber offener zu sein und zu sagen, was ich denke.

STANDARD: War Lindsey Vonn also eine Inspiration für Sie?

Maze: Lindsey ist immer Show. Sie verfolgt den US-Stil, ist sehr offen und teilt alles mit der Öffentlichkeit. Sie macht alles mit Lockerheit, obwohl das für den Körper sehr hart ist über die Jahre. Sie war viel interessanter, als ich es war. Ich war zu verschlossen, deshalb war ich für die Medien nicht interessant und musste mich öffnen.

STANDARD: Hat sie es nicht auch manchmal übertrieben?

Maze: Sie hat sich nie verstellt, es aber möglicherweise übertrieben. Ich hätte nie so oft erwähnt, dass ich verletzt bin oder Schmerzen habe. Ich hätte nie so viel Drama gemacht. Ich hätte es für mich behalten, wenn ich einmal nicht den besten Tag gehabt habe. Ich bin eher ein ruhiger Typ, habe mich immer mehr auf die Arbeit und die Ergebnisse konzentriert. Aber bitte mich nicht falsch zu verstehen, sie hat einen guten Job gemacht. Die Leute wollen Champions wie sie, die aus sich herausgehen.

STANDARD: Ist nach den Abgängen von Vonn und Aksel Lund Svindal eine Lücke entstanden?

Maze: Die Dinge ändern sich sehr schnell. Shiffrin ist sehr interessant, und sie hat einen super Charakter. Und Hirscher ist auch noch dabei. Im Skizirkus gibt es nach wie vor sehr viele starke Athleten. Aber natürlich wird es ohne Lindsey und Aksel etwas weniger interessant. Hören Größen wie sie auf, geht der Level nach unten. (Thomas Hirner, 13.2.2019)

"My way is my decision": Tina Maze versuchte sich auch als Sängerin.
Nika Records